Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
Peripherie des Euroraums vor der Krise Nettoempfänger von Krediten waren. Dorthin richten sich viele grüne Pfeile, die von den Kernländern Europas kommen. Zurück in die Kernländer sind schwarze Pfeile gerichtet, die den Geldfluss in diese Länder zum Zweck des Güterkaufs verdeutlichen. Der Nettogüterstrom vom Kern in die Peripherie, der sich in entsprechenden Leistungsbilanzsalden ausdrückt, ist das, was die ehemalige französische Finanzministerin Christine Lagarde mit ihrer Tango-Metapher ausgedrückt hatte ( Abbildung 2.6 ).
Das rechte Bild zeigt die Krise. In der Krise versiegten die Kreditströme vom Kern in die Peripherie, was sich daran zeigt, dass die grünen Pfeile fehlen. Es kam zu einem Nettoabfluss von Geld von der Peripherie in den Kern, weil die Güterkäufe weitergingen, aber der Kreditfluss zu ihrer Finanzierung fehlte.
Mehr noch, da viele Kreditgeber ihre schon ausstehenden Kredite nicht mehr verlängerten und die Rückzahlung verlangten, flossen zudem auch Geldbestände für die Tilgung ab, ohne dass Ersatzkredite verfügbar waren, die neues Geld hätten bringen können. Dies ist in der rechten Abbildung durch die roten Pfeile veranschaulicht. Es fand eine Kapitalflucht statt. Das Kapital, das vom Kern in die Peripherie verliehen worden war, floh, so rasch es die Fristigkeit der Kredite zuließ, in die Heimatländer zurück. Das erzeugte den deutschen Investitionsboom und speziell den Bauboom nach der Krise, wie in Kapitel 2, Abschnitt Bauboom im Heimathafen erläutert wurde.
Abbildung 6.1: Zahlungsbilanzgleichgewicht und -krise
Zahlungsbilanzungleichgewichte wie zwischen den Euroländern kann es im Prinzip auch zwischen Regionen innerhalb der jeweiligen Länder oder auch zwischen der Eurozone und dem Rest der Welt geben. Die Gefahr solcher Ungleichgewichte ist aber klein. Innerhalb der einzelnen europäischen Staaten stellen Finanzausgleichssysteme sicher, dass regionale und lokale Gebietskörperschaften aufgefangen und streng kontrolliert werden, wenn sie Finanzprobleme haben. Insofern ist eine Verweigerung privater Kreditgeber gegenüber bestimmten Einzelregionen nicht zu beobachten. (Anders ist es in den USA, wo es einen solchen formellen Finanzausgleich zwischen den Bundesstaaten nicht gibt, dafür aber Mechanismen, die die Kapitalflucht über eine Zinsspreizung verhindern. Siehe Kapitel 12, Abschnitt Wie die Target-Salden in den USA getilgt werden .) Und im Außenverhältnis sorgen im Allgemeinen flexible Wechselkurse und unterschiedliche Währungen dafür, dass sich Güter- und Kapitalströme die Waage halten. Größere Devisenströme über die Grenzen hinweg kommen nur vor, wenn die Notenbanken ausländische Währung horten, um die Kurse zu beeinflussen. Das tun die zum Eurosystem gehörenden nationalen Notenbanken aber nicht. Zwischen Privatsektoren unterschiedlicher Währungsgebiete gibt es keine erheblichen Nettoströme von Devisen, weil man mit ausländischer Währung im Inland im Allgemeinen wenig anfangen kann.
Die internationalen Zahlungsvorgänge werden normalerweise nach Zahlungen im Rahmen der Leistungsbilanz und der Kapitalbilanz unterschieden. In der Leistungsbilanz werden Transaktionen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Gütern aus laufender Produktion, Dienstleistungen einschließlich der Zinsen für Kreditgeschäfte sowie Geschenke erfasst. Die Kapitalbilanz misst demgegenüber Zahlungen im Zuge des Tausches von Vermögenstiteln, vor allem zumeist die Entstehung oder Tilgung von Krediten. In offiziellen Statistiken findet man auch noch die Definition, dass die Kapitalbilanz nur langfristige Kredite erfasst. Diese Verengung ist aber im Sprachgebrauch der Volkswirtschaftslehre nicht üblich. Für die Zwecke dieses Buches meint der Begriff Kapitalströme alle Arten von Krediten außer den noch zu erörternden Target-Krediten selbst, egal welcher Fristigkeit sie sind – also auch die kurzfristigen Interbankenkredite, die im Zentrum des Geschehens stehen. Außerdem sind grenzüberschreitende Vermögenskäufe jedweder Art erfasst, denn der Verkauf eines Vermögensobjektes versetzt den Verkäufer genauso in die Lage, mit dem Geld, das er erhält, Güter aus laufender Produktion zu erwerben wie der »Verkauf« eines Schuldscheins, den man als die Aufnahme eines Kredites interpretieren kann.
Verwendet man diese Begriffe, so liegt ein Zahlungsbilanzgleichgewicht vor, wenn Kapitalbilanz und Leistungsbilanz einander ausgleichen, und ein Ungleichgewicht, wenn sie es nicht
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