Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
erste Mal die Runde machten und Deutschland bei etwas mehr als 300 Milliarden Euro lag, hieß es, die Zahlen würden ja bald wieder zurückgehen, und es zeichne sich am aktuellen Rand ja schon eine Beruhigung ab. Davon kann keine Rede sein. In den letzten zwölf Monaten vor Abschluss dieses Manuskripts (Juli 2011 bis Juli 2012) stieg der deutsche Target-Saldo jedes Vierteljahr im Schnitt um etwa 100 Milliarden Euro oder 32 Milliarden Euro pro Monat. Wie der Leser der dargestellten Kurve unschwer entnehmen kann, stieg selbst dieser Zuwachs unter gewissen Schwankungen von Monat zu Monat weiter an. Man spricht manchmal bei solchen Entwicklungen von explodierenden Reihen. Zu hoffen ist, dass das nicht allzu wörtlich zu nehmen ist.
Es ist hilfreich, zum ökonomischen Verständnis des Geschehens zwischen Binnengeld und Außengeld zu unterscheiden. Außengeld nenne ich Geld, das in einem Euroland zirkuliert, doch in einem anderen Euroland geschaffen wurde, indem die Notenbank dort Kredite an den privaten Bankensektor vergab oder Vermögensobjekte von diesem Sektor erwarb. Binnengeld ist Geld, das in einem Land zirkuliert und dort auch geschaffen wurde. 18 Die grünen Kurvenmessen demgemäß die Bestände an Außengeld, das in Deutschland und den Niederlanden anlandete, und die roten Kurven messen ehemalige Binnengeldbestände der GIPSZ-Länder und Italiens, die diese Länder verließen und dadurch zu Außengeld wurden.
Abbildung 6.2: Akkumulierte Zahlungsbilanzsalden im Euroraum (Januar 2003 – Juni/Juli 2012)
* Die Daten Spaniens waren bei der Erstellung dieses Diagramms bis Ende Juli 2012 verfügbar; jene Griechenlands, Irlands, Portugals und Zyperns bis Ende Mai 2012. Der dargestellte Wert für GIPSZ im Juni und Juli ist mit den Mai-Werten der vier Länder und dem jeweiligen Monatswert für Spanien fortgeschrieben.
Quelle: H.-W. Sinn und T. Wollmershäuser, a.a.O., Abbildung 1 , Fortschreibung.
Bemerkenswert ist, dass Italien noch bis zum Sommer 2011 einen leichten Zahlungsbilanzüberschuss hatte, dann aber unter massiven Geldabflüssen litt. Innerhalb eines Jahres, von Juli 2011 bis Juni 2012 sind aus Italien 278 Milliarden Euro abgeflossen. Für die Entwicklung der GIPSZ-Kurve seit dem Sommer 2011 ist vor allem Spanien verantwortlich. Aus Italien und Spanien flossen in der genannten Zeitspanne insgesamt etwa 640 Milliarden Euro heraus. Der bloße Stopp der Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite hat dazu nur zu einem Zehntel beigetragen, denn etwa so groß war der Anteil der Leistungsbilanzdefizite der beiden Länder in diesem Zeitraum. DerLöwenanteil der Abflüsse war offenkundig eine reine Kapitalflucht, wie es in Abbildung 6.1 durch die roten Pfeile veranschaulicht wird.
Die Kapitalflucht bestand, wie erwähnt, im Wesentlichen darin, dass Banken der europäischen Kernländer zurück in den sicheren Heimathafen geflohen sind. Sie verlangten die vertraglich vorgesehene Tilgung von kurzfristigen Krediten, die sie ausgereicht hatten, ohne der Ablösung der alten Kredite durch neue Kredite zuzustimmen. Man holte das verliehene Geld zurück, so schnell es eben ging. Außerdem ist freilich Vermögen geflohen, das den in diesen Ländern ansässigen Vermögensbesitzern selbst gehörte: Sie haben in großem Stil ihre Wertpapiere an die Banken ihrer Heimatländer verkauft und den Erlös dann ins Ausland getragen. So hörte man davon, dass eine griechische Immobiliengesellschaft Anzeigen in einer Berliner Zeitung platziert hat, um dort nach Immobilien als Anlageobjekte zu suchen.
Zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Zeilen, im August 2012, ist der Strom der aus Italien und Spanien fliehenden Gelder noch nicht abgeschwollen. Bei Italien ist zwar eine gewisse Beruhigung zu erkennen, doch die spanischen Zahlen steigen mit umso größerer Dynamik.
Abbildung 6.3 gibt ein vollständigeres Bild der Target-Bestände, die sich bis zum aktuellen Rand aufgebaut haben. Man sieht, dass neben Deutschland auch noch Luxemburg, die Niederlande und Finnland nennenswerte Zahlungsbilanzüberschüsse akkumuliert haben, dass aber Deutschland ganz eindeutig der hauptsächliche Gegenpart zu den Krisenländern ist. Neben den GIIPSZ-Staaten gehören auch noch Österreich, Belgien und insbesondere Frankreich zu den Defizitländern. Letztere hatten in der Summe der Jahre aber allesamt nur leichte Geldabflüsse ins Ausland zu verkraften.
In den Monaten August bis Dezember 2011 waren allerdings per Saldo 70 Milliarden Euro aus Frankreich
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