Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
abgezogen worden, was die französische Target-Verbindlichkeit auf 69 Milliarden Euro ansteigen ließ, nachdem Frankreich zuvor ein fast ausgeglichenes Konto gehabt hatte. Die französische Target-Verbindlichkeit ist inzwischen aber schon wieder auf 36 Milliarden Euro gesunken, vermutlich als Folge des Umstandes, dass die französischen Banken selbst aus ihren Engagements in Südeuropa geflohen sind.
Abbildung 6.3: Die Target-Salden nach Ländern* (Kenntnisstand 8. August 2012)
* Ende Juli 2012 für Deutschland, Italien und Spanien; Ende Juni 2012 für die Niederlande; Rest Ende Mai 2012.
Quelle: H.-W. Sinn und T. Wollmershäuser, a.a.O., Abbildung 1 , Fortschreibung.
Abbildung 6.3 zeigt, dass die Deutsche Bundesbank mit ihren Target-Forderungen zu dem bei weitem größten Nettogläubiger des EZB-Systems geworden ist. Nicht weniger als 68 % der gesamten Target-Forderungen des Eurosystems entfielen Ende Mai 2012 auf sie, obwohl sie nur 27 % des Kapitals der EZB hält. Außer ihr sind noch die Niederlande, Finnland, Luxemburg und Estland Target-Gläubiger. Gemessen an den Werten pro Einwohner steht Luxemburg mit 247.000 Euro an der Spitze, gefolgt von Finnland mit 10.100 Euro (jeweils Ende Mai 2012), Deutschland mit 8.900 Euro (Ende Juli 2012) und den Niederlanden mit 7.500 Euro (Ende Juni 2012).
TARGET-SALDEN ALS ÖFFENTLICHER KAPITALEXPORT
Der Grund für die Krediteigenschaft der Salden liegt im Übrigen tiefer als nur in der Notwendigkeit der doppelten Buchführung, denn dem Nettogeldfluss, der zu Target-Salden führt, steht ja ein wirklicher Nettofluss an Gütern und/oder Vermögensobjekten (inklusive des »Rückkaufs von privaten Schuldscheinen«, also der Schuldentilgung) gegenüber. Dieser Nettofluss an Gütern und Vermögensobjekten muss zwischen den Notenbanken durch Forderungen und Verbindlichkeiten erfasst werden, weil es sich dabei sonst um Geschenke der einen Volkswirtschaft an die andere handeln würde. Sicher, die privaten Verkäufer von Exportgütern erhalten Geld und werden insofern zufriedengestellt, aber dieses Geld ist eine Forderung gegen die eigene Notenbank, die auf der Passivseite der Bilanz dieser Notenbank verbucht ist. Erst die Forderung der eigenen Notenbank gegen andere Notenbanken beziehungsweise das EZB-System stellt den Gegenwert für die Gesamtwirtschaft dar, die die Güter oder Vermögensobjekte exportiert hat.
Es ist deshalb folgerichtig, dass die Target-Salden in der Zahlungsbilanzstatistik der Bundesbank tatsächlich als »Kapitalanlage der Bundesbank im Ausland« bezeichnet und als Teil der Nettoauslandsforderungen der Bundesrepublik Deutschland verbucht werden.
Das Nettoauslandsvermögen der Bundesrepublik Deutschland betrug Ende 2011 36 % des BIP des Jahres 2011, wie es schon in Abbildung 3.6 gezeigt worden war. Davon bestand die Hälfte, 463 Milliarden Euro, aus Target-Forderungen der Bundesbank gegen das EZB-System. Nach den aktuellsten Zahlen vom März 2012, die vor dem Schluss dieses Manuskripts verfügbar waren, lag das Nettoauslandsvermögen der Bundesrepublik bei 39 % des geschätzten BIP des Jahres 2012 oder 1.014 Milliarden Euro. Abbildung 6.4 zeigt die Beziehung zwischen den Target-Krediten und der Nettoauslandsposition für Deutschland und einige andere Länder als Anteile am BIP.
Abbildung 6.4: Das Nettoauslandsvermögen und der Target-Anteil daran (grau); März 2012, relativ zum geschätzten BIP von 2012
Quellen: Eurostat Datenbank, Wirtschaft und Finanzen , Zahlungsbilanz — Internationale Transaktionen; Target-Salden: Vgl. NBER Working Paper -Vorfassung von H.-W. Sinn und T. Wollmershäuser, a.a.O.
Bemerkenswert ist, dass die Target-Schulden bei einigen der Krisenländer, vor allem Griechenland und Irland, heute schon riesige Anteile der Nettoauslandsschuld dieser Länder darstellen. Von 95 % Nettoauslandsschuld in Griechenland sind 50 Prozentpunkte Target-Schulden, von 92 % in Spanien 26 Punkte, von 24 % in Italien 17 Punkte, von 107 % in Portugal 44 Punkte und von 101 % in Irland gar 60 Punkte. Wenn man die Länder nach dem Anteil der Target-Schulden an der Nettoauslandsschuld reiht, liegt Italien mit gut zwei Dritteln an der Spitze.
SELBSTBEDIENUNG MIT DER NOTENPRESSE
Es ist nun Zeit, auf den Zusammenhang zwischen den Target-Salden und der Refinanzierungspolitik der EZB zurückzukommen, denn es kann nicht immer mehr Geld aus einer Volkswirtschaft abfließen, ohne dass sie alsbald in eine Liquiditätskrise kommt, weil nicht mehr genug
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