Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
in den Handelsströmen zwischen den Regionen.
Die Überweisungsaufträge zwischen den Geschäftsbanken laufen im US-System grundsätzlich über die District Feds, von denen jede ein Verrechnungskonto mit jeder anderen der übrigen elf District Feds unterhält, das sogenannte Interdistrict Settlement Account (ISA). Der Saldo auf diesem Konto ist im Prinzip dasselbe wie der Target-Saldo einer nationalen Notenbank, denn er zeigt an, wie viele Überweisungen die eine District Fed netto im Auftrag der anderen ausgeführt hat, wie viel Kredit sie ihr also gegeben hat, indem sie dem Empfänger der Überweisungsaufträge zu eigenen Lasten eine Gutschrift erteilte. Der Unterschied ist nur, dass die ISA-Salden zu bilateralen Schuldverhältnissen führen, während die Target-Salden Schuldverhältnisse mit dem EZB-System als Ganzem begründen, weil die bilateralen Target-Salden jeweils am Ende eines Tages in Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem gesamten Eurosystem verwandelt werden.
Hat eine District Fed eine negative Summe von ISA-Salden mit anderen District Feds, dann hat sie ein Zahlungsbilanzdefizit, weil sie netto Geld, das von ihr vorher durch Refinanzierungskredite oder Wertpapierkäufe geschaffen und an die Privatwirtschaft übertragen wurde, anderswohin überwiesen hat. Das ist exakt dieselbe Größe, wie sie im Euroraum durch einen negativen Target-Saldo gemessen wird, und völlig analog verhält es sich natürlich umgekehrt mit den positiven Salden.
Auch in den USA ist es möglich, dass eine District Fed mehr Geld durch Refinanzierungskredite schafft, als für die Geldzirkulation in ihrem Distrikt benötigt wird, dass es also einen Überlauf von Zentralbankgeld in andere Distrikte gibt, der andere Zentralbanken zwingt, Geld im Zuge von Überweisungsaufträgen auszureichen, ohne dafür Kreditforderungen gegenüber den Geschäftsbanken zu erwerben. Das führt bei der geldschöpfenden District Fed zu einem negativen ISA-Saldo, also einer Schuld gegenüber den anderen Zentralbanken.
Anders als in Europa bleibt die Schuld in den USA aber nicht stehen und baut sich von Jahr zu Jahr weiter auf, sondern wird im April eines jeden Jahres getilgt, indem die Eigentumsrechte an dem Clearing-Portfolio zwischen den District Feds entsprechend neu verteilt werden unter Berücksichtigung der Veränderung in den ISA-Salden. Das ist der entscheidende Unterschied. Nur in Europa können sich die Einwohner einer Region das Geld nach Belieben aus der Notenpresse ziehen, um anderswo einzukaufen und dann zu einem Zins von derzeit 0,75 % anschreiben lassen. In den USA kann man nicht anschreiben lassen. Dort muss man stattdessen echte, marktfähige Wertpapiere abtreten, die mit 6 % verzinst sind.
Genau genommen wird das ISA-Konto allerdings nicht vollkommen getilgt. Vielmehr wird nach einer komplizierten Formel und auch unter dem Einfluss von Einzelentscheidungen des Federal Reserve Board im Wesentlichen die Differenz zwischen dem aktuellen Jahresdurchschnittswert des Saldos und dem Restbestand des Saldos im jeweils letzten April ausgeglichen. Das ist nicht unerheblich, denn es bedeutet, dass sich auch in den USA während einer Krise Salden aufbauen können. Aber die Salden steigen nicht dauerhaft und systematisch, sondern werden stets wieder abgebaut.
Was wirklich passiert ist, zeigt die blaue Kurve aus Abbildung 12.1 , die die Brutto-Summe der ISA-Salden, also die Summe aller Forderungen der District Feds (oder, was dasselbe ist, die Summe aller Schulden) relativ zum US-BIP darstellt. Man erkennt, dass die Summe der ISA-Salden vor der Finanzkrise nur bei etwa 0,2 % bis 0,3 % des BIP lag, dann in der Krise auf 2 % bis fast 3 % hochschoss und am aktuellen Rand wieder auf das Vorkrisenniveau zurückging.
Man erkennt auch deutlich, dass die Zahlenwerte jeweils zum April zurückgingen. Vor dem April des Jahres 2009 sanken sie allmählich, Monat für Monat, weil sich die District Feds offenbar bemüht hatten, den Verlust von Vermögensanteilen am Clearing-Portfolio der Fed zu vermeiden, indem sie weniger Refinanzierungskredit vergaben. Der Rückgang des Refinanzierungskredits erzeugte einen Rückfluss von Geld aus anderen Distrikten, weil sich die Wirtschaftssubjekte den gewünschten Kredit auf dem amerikanischen Markt leihen mussten.
Im April des Jahres 2010 gingen die ISA-Salden sehr rasch zurück, offenbar weil in diesem Monat tatsächlich getilgt wurde, indem dieNotenbanken der Defizit-Distrikte Eigentumsrechte am
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