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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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musste er sich sagen, dass es unter seiner Würde war, ein Kind zu verprügeln. Zudem war Bahadur eine wertvolle Geisel, für die er mit seinem Kopf haftete.
    Er winkte ab. »Lass den Burschen in Ruhe, Wanja. Was kümmert esuns, was er denkt? In Moskau werden sie ihm schon Manieren beibringen!«
    »Es ist ja nicht so, dass er keine Manieren hat. Er bedankt sich, wenn man ihm etwas zu essen gibt, kümmert sich kameradschaftlich um den kleinen Ostap, der uns sonst die Ohren voll heulen würde, und ist höflich zu jedermann.«
    »Außer zu uns beiden, wolltest du sagen«, spöttelte sein Hauptmann.
    »Na ja, irgendwie ist es auch zu verstehen, Sergej Wassiljewitsch. Ihr habt Bahadurs Vater gefangen gesetzt, und ich habe ihn aus der Sicherheit seines Stammes herausgeholt. Da wird er kaum freundlich von uns denken.«
    Wanjas Mitleid mit Bahadur konnte Sergej nicht teilen. In seinen Augen war der junge Tatar ein Narr, sich seinem Hass so offen hinzugeben. Die anderen Geiseln waren schließlich ebenfalls ihren Familien und Stämmen entrissen worden, brachten ihm aber dennoch Respekt entgegen und versuchten, das Beste aus ihrer Situation zu machen.
    Er richtete sein Augenmerk wieder auf den Weg, der vor ihnen lag. Doch das hübsche Gesicht des Tatarenprinzen geisterte immer wieder durch seine Gedanken, und er hätte den Jungen am liebsten an sich gezogen und ihm in aller Freundschaft den Kopf zurechtgesetzt. Um die Anspannung, die dieser Knabe in ihm erzeugte, loszuwerden, stieß er einen Fluch aus, der Wanja zusammenzucken ließ, und nahm sich vor, an diesem Abend besonders schroff zu Bahadur zu sein, sollte sich eine Möglichkeit ergeben.
    Kaum hatten sie ihr Etappenziel erreicht, verschwand Schirin auf dem Abtritt und wusch sich dann an einem in der Nähe fließenden Bach Gesicht und Hände. Der Anblick des Wassers erinnerte sie daran, dass ihr monatlicher Blutfluss in den nächsten Tagen einsetzen würde, und sie überlegte, was sie tun konnte, um ihn vor den Augen der anderen zu verbergen. Sie fürchtete vor allem Sergejs scharfen Blick, auch Ilgur durfte um Allahs Willen keinen Verdacht schöpfen. Daher sah sie sich um und entdeckte unweit des Baches in einemkleinen Lärchenwäldchen trockenes Moos, das für ihre Zwecke geeignet war. Sie las genügend Stücke für die nächsten Tage auf und steckte sie unter ihr Hemd. Als sie zur Herberge zurückkehrte, hielt Wanja bereits nach ihr Ausschau.
    »Da bist du ja, Söhnchen! Ich dachte schon, du hättest dich auf den Heimweg gemacht.«
    Schirin hob spöttisch die Augenbrauen. »Ohne mein Pferd?«
    Der Russe lachte schallend auf. »Das hatte ich ganz vergessen! Für euch Tataren gilt ein Gaul ja mehr als eine Frau.«
    In gewisser Weise hatte er Recht, denn ein schnelles Pferd konnte einem Krieger auf der Flucht das Leben retten, während ein Weib ihn dabei nur behinderte. Trotzdem war Schirin beleidigt und ging wortlos an ihm vorbei in die Herberge.
    Es handelte sich um einen großen, schmucklosen Holzbau, dessen unteres Stockwerk die Gaststube, die Küche, den Stall und die Kammern der Wirtsleute enthielt, während die Gastzimmer im oberen Teil lagen.
    Im Gastraum war bereits der Tisch gedeckt, und Schirin starrte angewidert auf die hölzernen Platten mit den riesigen Bratenstücken, die vor Fett nur so trieften. Es hätte nicht des Schweinekopfs bedurft, der einen der Stapel krönte, um ihr klar zu machen, von welchem Tier das Fleisch stammte, denn inzwischen hatte sie gelernt, allein den Geruch zu verabscheuen. Sie wandte sich ärgerlich an den Wirt, der mit einer vollen Flasche Wodka herumwieselte, und packte ihn an seinem nicht ganz sauberen Kittel.
    »Hast du nichts anderes zu essen als diesen Schmutz?«
    »Wie nennst du mein Essen? Schmutz? Du kannst keinen besseren Schweinebraten von hier bis Moskau finden, du …« Der Mann funkelte den jungen Tataren empört an, als wolle er ihn für diese Beleidigung schlagen, warf dann aber einen ängstlichen Blick auf den Säbel an dessen Seite und riss sich los.
    Wanja, der ebenfalls die Wirtsstube betreten hatte, bemerkte Bahadurs angeekelten Blick und trat schnell zwischen den Tataren unddie Bratenstücke, bevor dieser sie vom Tisch fegen konnte. »Beruhige dich, Söhnchen! Der Wirt hat es nicht böse gemeint. Er hat auch gewiss etwas anderes zu essen für dich.«
    »Ich sagte es dir schon einmal: Ich bin nicht dein Söhnchen!«, fauchte Schirin ihn an.
    »Gott sei Dank nicht!« Wanja schlug seufzend das Kreuz und eilte dem

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