Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Sekunde erfolgte Rettung vor den Schweden als grandiosen Erfolg zu feiern. Daher befahl er, nichts an der Sankt Nikofem herzurichten, sondern sie mit den von den feindlichen Kanonen aufgerissenen Flanken, den zerfetzten Segeln und den blutbedeckten Decks in den Hafen zu steuern. Kurz vor der Einfahrt ließ er das Schiff zum Zeichen des Sieges bis über die Toppen flaggen. Die russischen Kriegsschiffe, die vor Sankt Petersburg ankerten, aber auch etliche englische und holländische Segler schossen Salut, als der Gaffelschoner an der hölzernen Pier anlegte und der Zar mit blutiger Kleidung und dem blanken Säbel in der Hand die Laufplanke hinunterschritt. Ihm folgten ein paar Matrosen, die die beiden gefangenen Schweden als Symbol des errungenen Sieges vor sich herstießen.
    Fürst Fjodor Apraxin, der Gouverneur von Sankt Petersburg und Großadmiral der russischen Flotte, empfing den Zaren auf dem Kai. Schirin, die kurz nach den schwedischen Gefangenen an Land gehen durfte, erwartete zu sehen, wie der Bojar sich vor Pjotr Alexejewitsch verneigte oder gar zu Boden warf, aber es kam ganz anders. Der Zar blieb vor Apraxin stehen, nahm Haltung an und präsentierte den Säbel.
    »Euer Gnaden, Kapitän Pjotr Romanow meldet gehorsamst, mit Seiner Majestät Schoner Sankt Nikofem in Kampfhandlungen geraten zu sein und drei schwedische Fregatten mit Unterstützung des ersten nordischen Galeerengeschwaders besiegt zu haben.«
    »Gut gemacht, Kapitän Romanow! Das war ausgezeichnete Arbeit. Ihr werdet dafür belohnt werden.« Apraxin klopfte Pjotr Alexejewitsch auf die Schulter, als sei dieser nicht der Zar, sondernein subalterner Offizier, und ließ sich dann die Gefangenen vorführen.
    Schirin drehte sich irritiert zu Sergej um, der einen Schritt hinter ihr stand. »Was sollte das?«
    Sergej legte Bahadur den Arm um die Schulter. »Der Zar liebt es, als Untergebener aufzutreten und sich von seinen angeblichen Vorgesetzten für seine Erfolge auszeichnen zu lassen. Das wirkt natürlich sehr seltsam, ist aber andererseits auch zu verstehen, denn wenn unser Väterchen Pjotr Alexejewitsch eine große Tat begeht, kann er sich als Zar schlecht selbst belohnen.«
    Schirin hörte kaum hin, denn Sergejs Berührung ließ sie erstarren, und sie musste an sich halten, den Hauptmann nicht wegzustoßen. Sergej sah Bahadur nach diesem Scharmützel offensichtlich als Kampfgefährten an, und ihr wurde klar, wie tief sie in seiner Schuld stand. Eine Stimme in ihrem Kopf flüsterte ihr zu, dass es besser gewesen wäre, wenn der Schwede sie erschlagen hätte, denn dann hätten die Russen Bahadur samt seinem Geheimnis begraben und seiner ehrenhaft gedacht. Doch das Schicksal schien nicht so gnädig mit ihr verfahren zu wollen, denn sie fühlte sich zum zweiten Mal in kurzer Zeit gepackt.
    Der Zar zog Bahadur nach vorne und deutete auf ihn. »Darf ich das Augenmerk Euer Gnaden auf diesen tapferen jungen Tataren lenken? Sein Auge hat den Feind zuerst entdeckt, und seine Besonnenheit und sein kühles Blut haben mein Leben bewahrt. Ich bin ihm mehr zu Dank verpflichtet, als ich es ausdrücken kann.«
    Apraxins Augen weiteten sich vor Schreck, denn trotz Pjotr Alexejewitschs zerfetzter, blutgetränkter Kleidung und des Verbands an seinem Oberarm hatte er nicht angenommen, dass der Herr über Russland dem Tode so nahe gewesen war. »Braver Bursche!«, brachte er mühsam hervor, ergriff Bahadurs Rechte und schüttelte sie, als hätte er einen Pumpenschwengel in der Hand.
    Nun winkte der Zar Sergej auf seine andere Seite. »Dieser Dragoneroffizier hier hat ebenfalls ausgezeichnet gekämpft. Euer Gnadenerinnern sich gewiss noch an ihn. Er war jener blutjunge Fähnrich, der nach der Schlacht von Narwa unser Sammellager in Nowgorod mit durchgelaufenen Stiefeln und der Fahne seines Regiments erreicht hat.«
    Sergej glühte vor Stolz, weil der Zar sich nach all den Jahren noch an ihn erinnerte, auch wenn die Worte die Scham in ihm hochsteigen ließen, die ihn seit jenen Tagen in ihren Klauen hielt. Das Gefühl, angesichts des Feindes versagt zu haben, galt nicht nur ihm selbst, sondern dem gesamten russischen Heer, welches damals fast ohne Gegenwehr die Flucht ergriffen hatte. Er salutierte übertrieben zackig vor Apraxin, obwohl die Ehrenbezeugung eher dem Zaren galt, und bleckte kämpferisch die Zähne.
    »Wenn Euer Gnaden mich das nächste Mal mit einer Fahne zurückkehren sehen, wird es eine erbeutete Fahne des Feindes sein!«
    »Mit ein wenig mehr Glück

Weitere Kostenlose Bücher