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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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Waschküche rühren. Wir Jungen wurden an Kistenmacher und Böttcher ausgeliehen, dienten den Offizieren in der Kaserne als Laufburschen oder schufteten als Schauerleute im Hafen. Ich wurde an einen Seiler gegeben, wo ich aus teerbeschmierten alten Tauen Werg zupfen musste. Wir waren billiger als Dienstboten, billiger als Sklaven! Drijver strich die, wie er es nannte, ‹Anerkennung› ein, und bei hundert Waisen in ‹produktiver Arbeit› hatte er ein feines Leben. Das Gute daran war, dass wir so aus dem Waisenhaus rauskamen. Wir wurden nicht bewacht; wo hätten wir auch hinlaufen sollen? In den Dschungel? Ich kannte in Batavia kaum mehr als den Weg vom Waisenhaus zur Kirche, aber jetzt konnte ich ein bisschen umherstreifen und auf dem Weg zur Arbeit und zurück kleine Umwege machen. Die Botengänge für den Seiler führten mich auf den chinesischen Bazar und vor allem in den Hafen, und dort sah ich mir, glücklich wie eine Ratte in einem Kornspeicher, die Matrosen aus fernen Ländern an ...» Ivo Oost spielt den Karo-Buben und gewinnt die Runde. «Der Teufel schlägt den Papst, aber der Bube schlägt den Teufel.»
    «Mein fauler Zahn», jammert Baert, «tut schrecklich, schrecklich weh.»
    «Klug gespielt», lobt Grote, der nur eine wertlose Karte verliert.
    «Eines Tages», fährt Oost fort, «ich glaube, ich war vierzehn, musste ich einem Krämer eine Rolle Seil liefern. Im Hafen lag eine schmucke Brigg, klein und hübsch und mit einer gütigen Frau als Galionsfigur. Sara Maria hieß sie, und plötzlich ... sagte eine Stimme, die da war, aber niemandem gehörte: ‹Heute ist der Tag, und das ist dein Schiff.›»
    «Klar wie ’n Franzosenschiss», murmelt Gerritszoon.
    «Hat vielleicht», schlägt Jacob vor, «eine innere Stimme zu Ihnen gesprochen?»
    «Kann schon sein, jedenfalls lief ich das Fallreep hinauf und wartete, dass der dicke Kerl, der die Anweisungen brüllte, mich bemerkte, aber das tat er nicht. Also kratzte ich meinen ganzen Mut zusammen und sagte: ‹Entschuldigen Sie bitte.› Er nahm mich ins Visier und schnauzte: ‹Wer hat diesen Lumpenbengel an Bord gelassen?› Ich bat ihn um Verzeihung und sagte, dass ich abhauen und zur See fahren will und ob er vielleicht mit dem Kapitän sprechen könnte. Gelächter war das Letzte, womit ich gerechnet hatte, aber er lachte mich aus! Also bat ich abermals um Verzeihung und sagte, dass ich es ernst meine. Da sagte er zu mir: ‹Was würden deine Eltern wohl von mir halten, wenn ich dich ohne ihre Erlaubnis einfach so verschwinden lasse? Und überhaupt, wie kommst du drauf, dass du zum Matrosen taugst? Das heißt Plackerei und Elend, Kälte und Hitze und dazu die Launen des Frachtmeisters, der, wie jeder an Bord dir bestätigen wird, ein wahrer Teufel ist.› Meine Eltern würden nichts sagen, antwortete ich, weil ich im Haus der Bastarde aufgewachsen wär, und nichts für ungut, aber wer das überlebt, würde sich auch nicht vorm Meer oder den Launen von ’nem Frachtmeister fürchten ... Da machte er sich nicht mehr lustig über mich, sondern er fragte ganz freundlich: ‹Wissen deine Vormunde denn, dass du zur See fahren willst?› Ich gab zu, dass Drijver mir das Fell über die Ohren ziehen würde. Er überlegte kurz, und dann sagte er: ‹Ich bin Daniel Snitker, der Frachtmeister der Santa Maria , und mein Schiffsjunge ist am Schiffsfieber gestorben.› Am nächsten Tag sollte Banda-Muskat verladen werden, und er versprach, er würde den Kapitän dazu bringen, mich ins Bordbuch einzutragen: Aber bis die Santa Maria Segel setzte, sollte ich mich bei den anderen Burschen im Cockpit verstecken. Ich gehorchte auf der Stelle, aber irgendwer hatte mich an Bord gehen sehen, und der Direktor schickte drei große böse Wölfe los, die ihm sein ‹gestohlenes Eigentum› zurückbringen sollten. Herr Snitker und seine Kameraden warfen sie ins Hafenbecken.»
    Jacob streicht sich über die gebrochene Nase. Und ich bringe den Vater des Jungen vor Gericht.
    Gerritszoon spielt eine wertlose Kreuz-Fünf.
    «Ich glaub», Baert stopft seine Nägel in die Börse, «der Don-donnerbalken ruft.»
    «Und warum nimmst du deinen Gewinn mit?», fragt Gerritszoon. «Traust du uns etwa nicht?»
    «Eher», sagt Baert, «brate ich meine eigene Leber mit Rahm und Zwiebeln.»
    Zwei Buddeln Rum stehen auf dem Bord und werden die Nacht kaum überstehen. «Ich hatte den Ehering in der Tasche», schnieft Piet Baert, «und ... und ...»
    Gerritszoon spuckt aus. «Ah, hör auf zu

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