Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
kräftige Burschen in ihren vielen Besitzungen auf Gottes schöner Welt bereithält!› Endlich kapiere ich, und ich sage: ‹Ja, das weiß ich.› Und er: ‹Nun, ich bin oberster Werber der Kammer in Amsterdam, und mein Name ist Herzog van Eys. Was hältst du davon, wenn ich dir einen Gulden Vorschuss auf deinen Lohn gebe und dazu Unterkunft und Verpflegung, bis die nächste Kompanie-Flottille in den geheimnisvollen Osten aufbricht?› Darauf ich: ‹Herzog van Eys, Sie sind mein Retter.› Herr de Z., bekommt Ihnen unser Rum nicht?»
«Er zersetzt mir den Magen, Herr Grote, aber ansonsten ist er köstlich.»
Grote spielt die Karo-Fünf: Gerritszoon wirft die Königin ab.
«Attacke!» Baert knallt die Trumpf-Fünf auf den Tisch und rafft die Nägel zusammen.
Jacob spielt eine niedrige Herzkarte. «Ihr Retter, Herr Grote?»
Grote studiert sein Blatt. «Der feine Herr führte mich in ein wackliges Haus in einer schiefen Gasse hinter dem Rasphuys. Die Schreibstube war winzig, aber warm und trocken, und von unten drang der Duft von Speck herauf und ... ach, roch das gut! Ich fragte ihn, ob ich nicht ’ne Scheibe haben könnte oder auch zwei oder drei. Van Eys lachte nur und sagte: ‹Setz deinen Namen hier drunter, mein Junge, und nach fünf Jahren in Fernost kannst du dir einen Palast aus Speck bauen!› Damals konnte ich weder lesen noch meinen Namen schreiben, und so hab ich einfach meinen Daumenabdruck unter das Papier gesetzt. ‹Ausgezeichnet›, sagte van Eys, ‹und hier ist der Vorschuss auf deine Prämie, damit du siehst, dass auf mein Wort Verlass ist.› Er gab mir einen neuen glänzenden halben Gulden, und ich strahlte vor Glück. ‹Den Rest bekommst du an Bord der Admiral de Ruyter , die am dreißigsten oder einunddreißigsten absegelt. Du hast doch hoffentlich nichts dagegen, mit den anderen willigen, kräftigen Burschen zusammen zu hausen, die mit dir aufs Schiff und auf die Fahrt in den Reichtum gehen?› Irgendein Dach überm Kopf ist besser als kein Dach überm Kopf, also steckte ich das Geld ein und sagte: ‹Einverstanden.›»
Twomey spielt eine wertlose Pikkarte aus, Ivo Oost die Kreuz-Vier.
«Zwei Dienstboten brachten mich nach unten», Grote mustert sein Blatt, «aber was da vor sich ging, durchschaute ich erst, als hinter mir der Schlüssel umgedreht wurde. In dem Keller, der nicht größer war als dieser Raum, kauerten vierundzwanzig Burschen in meinem Alter oder älter. Manche waren schon seit Wochen da, und ein paar waren nur noch Haut und Knochen und spuckten Blut ... Ah, ich wollte raus und hämmerte gegen die Tür, aber so ein großer, räudiger Kerl schlurft zu mir rüber und sagt, er würde mir dringend raten, ihm meinen halben Gulden zum Aufbewahren zu geben. ‹Welchen halben Gulden?›, sag ich, und darauf droht er mir, ‹entweder ich rück die Münze freiwillig raus, oder er klopft mich weich und holt sie sich.› Ich frag ihn, wann wir das nächste Mal zum Frische-Luft-Schnappen nach draußen dürfen. ‹Die lassen uns hier erst raus, wenn das Schiff absegelt›, sagt er, ‹außer du kratzt vorher ab. Und jetzt her mit dem Geld.› Wünschte, ich könnte sagen, ich hätte meinen Mann gestanden, aber Arie Grote ist kein Lügner. Außerdem war das mit dem Abkratzen kein Witz: Acht von uns ‹willigen, kräftigen Burschen› verließen das Gefängnis in der Horizontalen, immer zwei zusammengepfercht in einem Sarg. Nur ein Eisengitter über dem Pflaster für Luft und Licht, und ein Fraß so schlimm, dass man nicht wusste, aus welchem Eimer man essen und in welchen man scheißen soll.»
«Warum hast du nicht die Tür eingetreten?», fragt Twomey.
«Weil die aus Eisen war und draußen Wachen mit Knüppeln standen, darum.» Grote zupft sich Läuse aus dem Haar. «Oh, ich habe Wege und Möglichkeiten gefunden, lebend aus der Sache rauszukommen. Die hohe Kunst zu überleben ist schließlich meine Hauptbeschäftigung. Aber als sie uns dann eines Tages aneinandergefesselt wie die Sträflinge zu dem Tender trieben, der uns auf die Admiral de Ruyter bringen sollte, schwor ich mir drei Dinge. Erstens: Vertrau nie wieder einem Herrn von der Kompanie, der dir sagt, dass er nur dein Bestes will.» Er zwinkert Jacob zu. «Zweitens: dass ich nie mehr so arm sein will, dass eine Eiterblase wie van Eys mich kaufen und verschachern kann wie einen Sklaven. Drittens? Dass ich mir den halben Gulden von dem räudigen Kerl zurückhole, bevor wir in Curaçao sind. Den ersten Schwur halte ich bis
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