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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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‹glorreich› sein, aber für mich nicht. Zerfetzte Männer winden sich im Qualm, ja, Männer, größer und zäher wie du, Gerritszoon, weinten aus aufgerissenen Kehlen nach ihrer Mama ... und aus dem Lazarett wurde ein Bottich voll mit ...» Baert schenkt sich das Glas voll. «Na ja, als die Brunswick uns an der Wasserlinie traf und wir wussten, dass wir sinken, war die Vengeur kein Kriegsschiff mehr: Sie war ein Schlachthaus ... ein Schlachthaus ...» Baert blickt in seinen Rum, dann sieht er Jacob an. «Was mich an diesem schrecklichen Tag gerettet hat? Ein leeres Käsefass, das auf mich zutrieb. Die ganze Nacht klammerte ich mich daran fest, bibbernd und halb tot und zu geschwächt, um mich vor den Haien zu fürchten. Im Morgengrauen kommt eine Schaluppe mit dem Union Jack am Mast. Ein Matrose holt mich an Bord und schreit irgendwas in dem Krähenkauderwelsch, das die Engländer sprechen - nichts für ungut, Twomey ...»
    Der Zimmermann zuckt die Achseln. «Meine Muttersprache ist Irisch, Herr Baert.»
    «Ein alter Seebär übersetzt für mich. ‹Der Kamerad will wissen, woher du kommst›, und ich sage: ‹Aus Antwerpen: Die Franzosen, der Teufel soll sie holen, haben mich gepresst.› Der alte Seebär übersetzt, sein Kamerad kräht weiter, und der Seebär übersetzt wieder. Kurz gesagt, sie nahmen mich nicht gefangen, weil ich kein Franzmann war. Ich hätt’ ihnen vor Dankbarkeit fast die Stiefel geküsst! Aber dann kam’s: Wenn ich freiwillig als gewöhnlicher Matrose in der königlichen Marine dienen würde, fuhr er fort, würden sie mir die normale Heuer und ’nen Satz neuer Klamotten geben - na ja, fast neu. Wenn ich mich aber weigerte, würden sie mich zwingen, und ich müsste wie ’ne Landratte für umsonst arbeiten. Um den Mut nicht zu verlieren, frag ich sie, wohin die Reise geht: In Gravesend oder Portsmouth, dachte ich, kann ich bestimmt an Land schlüpfen und bin in ein, zwei Wochen wieder in Duinkerke und bei meinem Schatz ... Der Seebär sagt: ‹Unser nächster Hafen ist die Insel Ascension, wo wir Proviant aufnehmen - glaub nicht, dass du ’nen Fuß an Land setzt - und von da geht’s weiter zur bengalischen Bucht ...›, und obwohl ich ein erwachsener Mann war, heulte ich wie ein Schlosshund ...»
     
    Nicht ein Tropfen Rum ist übrig geblieben. «Die Glücksgöttin hat Ihnen heute Abend die kalte Schulter gezeigt, Herr de Z.» Grote pustet alle Kerzen aus bis auf zwei. «Aber morgen ist auch noch ein Tag, was?»
    «Kalte Schulter?» Jacob hört, wie die anderen die Tür schließen. «Man hat mich ausgenommen.»
    «Ach, mit den Einnahmen vom Quecksilber halten Sie sich Hunger und Pest ’ne ganze Weile vom Leib. Ziemlich gewagt, wie Sie das Geschäft abgewickelt haben, Herr de Z., aber wenn der Abt weiter so nachsichtig mit Ihnen ist, können Sie die letzten beiden Kisten vielleicht sogar noch teurer verkaufen. Denken Sie nur, wie viel Geld erst achtzig Kisten erbringen würden ...»
    «Eine so große Menge», Jacob dampft vom Trinken der Kopf, «wäre ein Verstoß ...»
    «Man würde die Vorschriften für den Privathandel beugen , ja, aber nur Bäume, die sich biegen, überstehen den Sturm, oder nicht?»
    «Eine gute Metapher macht aus Unrecht kein Recht.»
    Grote stellt die kostbare Glasflasche zurück auf das Bord. «Sie haben fünfhundert Prozent Gewinn gemacht: So was spricht sich schnell herum, und Ihnen bleiben mindestens zwei Handelszeiten, bis die Chinesen den Markt hier überschwemmen. Vize van Cleef und Kapitän Lacy verfügen in Batavia über ausreichend Kapital, und die gehören nicht zu denen, die sagen: ‹Ach, Liebchen, ich darf nicht, mein Kontingent beträgt nur acht Kisten.› Und wenn sie es nicht tun, macht es der Faktor selbst.»
    «Faktor Vorstenbosch ist hier, um die Korruption auszurotten, nicht um sie zu befördern.»
    «Faktor Vorstenboschs Finanzen haben durch den Krieg genauso gelitten wie die aller anderen.»
    «Faktor Vorstenbosch ist ein von Grund auf ehrlicher Mensch, der sich nie auf Kosten der Kompanie bereichern würde.»
    «Wer hält sich nicht für den Ehrlichsten von allen?» Grotes rundes Gesicht ist ein bronzeschimmernder Mond in der Dunkelheit. «Der Weg zur Hölle ist nicht mit guten Vorsätzen, sondern mit Selbstbeschönigung gepflastert. Aber wo wir gerade von ehrlichen Menschen sprechen: Warum haben Sie uns heute Abend wirklich mit Ihrer Gesellschaft beehrt?»
    An der Uferstraße schlagen Wachposten mit Holzklöppeln die volle Stunde.
    Ich

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