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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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bin zu betrunken , denkt Jacob, um mit Schläue vorzugehen. «Ich bin wegen zweier heikler Angelegenheiten hier.»
    «Meine Lippen sind fest versiegelt, beim fernen Grab meines geliebten Papas.»
    «Also schön, die Wahrheit ist ... Der Faktor hat den Verdacht, dass Güter veruntreut werden ...»
    «Heiliger Bimbam! Güter veruntreut, Herr de Zoet? Hier auf Dejima?»
    «... und zwar mit Hilfe eines Lieferanten, der Sie jeden Morgen in Ihrer Küche aufsucht ...»
    «In meine Küche kommen morgens viele Lieferanten, Herr de Z.»
    «... und dessen Beutel hinterher so prall gefüllt ist wie vorher.»
    «Ich bin froh, dass ich dieses Missverständnis aufklären kann! Richten Sie Herrn Vorstenbosch aus, die Antwort heißt ‹Zwiebeln›. Jawohl, Zwiebeln. Faule, stinkende Zwiebeln. Dieser Lieferant ist der größte Halunke von allen. Jeden Morgen versucht er es wieder, aber manche Lumpen hören eben nicht auf ‹Fort mit dir, dreister Spitzbube›, und vor diesem habe ich Manschetten.»
    Die Stimmen der Fischer dringen durch die warme, salzige Nacht.
    Ich bin nicht so betrunken, denkt Jacob, dass ich einer schamlosen Lüge aufsitze .
    «Nun», der Sekretär erhebt sich, «dann gibt es keinen Grund, Sie länger zu belästigen.»
    «Nein?» Arie Grote ist misstrauisch.
    «Nein. Morgen steht uns wieder ein langer Tag bevor, und ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.»
    Grote runzelt die Stirn. «Sprachen Sie nicht von zwei heiklen Angelegenheiten, Herr de Z.?»
    «Ihre Geschichte mit den Zwiebeln ...», Jacob duckt sich unter dem Holzbalken, «... veranlasst mich, die zweite Angelegenheit mit Herrn Gerritszoon zu besprechen. Ich unterhalte mich morgen mit ihm, bei nüchternem Tageslicht - leider werden es unerfreuliche Neuigkeiten sein.»
    Grote stellt sich in die Tür. «Worum könnte es bei dieser zweiten Angelegenheit wohl gehen?»
    «Um Ihr Kartenspiel, Herr Grote. Sechsunddreißig Runden Karnöffel. Von diesen sechsunddreißig haben Sie zwölf Runden gegeben und davon wiederum zehn gewonnen. Ein höchst unwahrscheinliches Ergebnis! Baert und Oost merken vielleicht nicht, wenn sie gezinkte Karten empfangen, aber Twomey und Gerritszoon würden es durchaus kapieren. Es war der uralte Trick - und ich habe nicht daran gedacht. Es gab keine Spiegel hinter uns, keine Diener, die ihnen einen Wink geben konnten ... ich war ratlos.»
    «Für einen gottesfürchtigen Menschen», Grotes Stimme bekommt einen frostigen Klang, «sind Sie ziemlich misstrauisch.»
    «Ein Buchhalter ist von Berufs wegen ein misstrauisches Wesen, Herr Grote. Ich konnte mir Ihren Erfolg nicht erklären, bis mir auffiel, dass Sie beim Geben über den Rand der Karten strichen. Also tat ich dasselbe und fühlte die Kerben - winzige Kerben: Die Buben, Siebenen, Könige und Damen sind, je nach ihrem Wert, an einer bestimmten Stelle markiert. Die Hände eines Matrosen, eines Lagerarbeiters oder Zimmermanns sind zu schwielig, um es zu bemerken, nicht aber die Zeigefinger eines Kochs oder Sekretärs.»
    «Es ist üblich», Grote schluckt, «dass das Haus für seine Umstände entlohnt wird.»
    «Morgen früh werden wir feststellen, ob Gerritszoon Ihre Ansicht teilt. Und nun muss ich ...»
    «Es war so ein netter Abend: Wie wär’s, wenn ich Ihnen den Verlust von heute Abend ersetze?»
    «Nur die Wahrheit zählt, Herr Grote: die reine Wahrheit.»
    «Vergelten Sie mir auf diese Weise, dass ich Sie reich gemacht habe? Indem Sie mich erpressen?»
    «Angenommen, Sie erzählten mir mehr über den Beutel mit den Zwiebeln ...»
    Grote seufzt, zweimal. «Sie sind eine elende Nervensäge, Herr de Z.»
    Jacob nimmt die Beleidigung als Kompliment und wartet.
    «Also», beginnt der Koch, «Sie kennen doch die Ginsengwurzel?»
    «Ich weiß, dass sie von japanischen Apothekern sehr verehrt wird.»
    «Ein Chinese in Batavia - ein feiner Herr - schickt mir jedes Jahr eine Kiste. Gut und schön. Das Dumme ist nur, dass die Stadtregierung am Auktionstag Steuern erhebt: Sechzig Prozent haben wir verloren, bis Dr. Marinus eines Tages eine einheimische Ginsengart erwähnte, die hier in der Bucht wächst, aber weniger begehrt ist. Also ...»
    «Also bringt Ihr Mann Ihnen den einheimischen Ginseng ...»
    «... und geht», Grote zeigt kurz seinen Stolz, «mit dem chinesischen.»
    «Wundern sich die Wachen und Abgreifer an der Landpforte denn nicht darüber?»
    «Sie werden dafür bezahlt, sich nicht zu wundern. Und jetzt frage ich Sie: Was wird der Faktor in dieser Sache unternehmen? In dieser

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