Die Teeprinzessin
heran, wenn die Fracht gelöscht wird. Bei einem Dampfschiff dürfte der Frachtraum zudem nicht weit vom Lagerraum für die Kohlen liegen.« Seine Brillengläser blitzten. »Schmierige Angelegenheit, das. Wenn Sie Ihren Tee nicht verderben wollen, lassen
Sie ihn besser hier. Ich mache Ihnen einen ordentlichen Preis.« Er zögerte. »Obwohl man natürlich sagen muss, dass so ein Tee, den keiner kennt und dessen Aroma hier bei uns auch ganz und gar unbekannt ist, doch gewiss sehr schwer an den Mann zu bringen sein wird.« Er nahm wieder ein paar Teeblättchen zwischen seine Finger und roch daran. »Keine Ahnung, wer den überhaupt trinken soll.« Er schluckte.
Feiner Staub wirbelte durch den Kontorraum, durch eine Ritze im Dach drang ein einziger Sonnenstrahl hinein und zog einen feinen Strich zwischen Betty und Mister Tiliri. Der Diener hatte seinen nackten Oberkörper gegen die Wand gelehnt und mit dem Kurbeln aufgehört, nachdem der Schlaf ihn überfallen hatte. Der Ventilator an der Decke drehte sich im Luftzug langsam weiter, dann kam er auch zum Stillstand.
Betty schüttelte den Kopf. »Gut, ich habe verstanden. Ich möchte, dass Sie mir zwei Kabinen erster Klasse buchen.«
Mister Tiliri hatte bereits begonnen, wieder in seinen Papieren zu wühlen. »Beeilen müssen wir uns«, murmelte er, »sehr beeilen, und ein Boot zum Übersetzen auf die Cressida müssen wir auch noch besorgen.« Er sah zu Betty hinüber. »Was wollen Sie mit zwei Kabinen? Die Welt verändern? Ihre Diene rin kann auf dem Zwischendeck schlafen oder bei Ihnen in der Kabine auf dem Boden. Die Diener sind das hier nicht anders gewöhnt. Sie sollten ihnen nicht ihre Sitten und Gebräuche rauben. Haben Sie Gnade mit Ihren Bediensteten und lassen Sie sie, wie sie sind. Die zweite Kabine benötigen Sie nicht.«
»Ich nehme zwei Kabinen erster Klasse«, sagte Betty mit fester Stimme. »In die zweite Kabine soll mein Tee geladen werden.« Sie zögerte. »Wenn ich Ihnen die ganze Kiste Tee dafür hierlassen soll, dann allerdings nur unter einer Bedingung!«
Der Staub hatte begonnen, im Sonnenlicht zu flirren. Der
Diener erhob sich und öffnete die Tür. Draußen auf dem Meer tutete ein Dampfer. Mister Tiliri sah Betty an. »Keine Sorge, ich sage es ihm nicht. Auch wenn man mir das heute nicht mehr ansieht, ich kenne die Frauen. Ich weiß, dass man sie ziehen lassen muss. Ich schwöre hiermit bei meinem Leben, dass ich Mister Jocelyn nicht verraten werde, wohin Sie gefahren sind!«
Betty schluckte. Etwas Staub war in ihre Augen geflirrt, nun musste sie einen Zipfel ihres Saris ergreifen und sich die Augen abtupfen. »Das meine ich nicht! Ich möchte nur, dass Sie einer Freundin etwas ausrichten. Sie heißt Ava.«
»Ava? Meine Güte. Dann haben Sie es also herausgefunden? Mister Jocelyn war sehr bemüht, es zu verheimlichen!« Mister Tiliri rang die Hände. »Aber Sie haben es ja nicht von mir erfahren, nicht wahr, da kann ich ja ganz beruhigt sein und muss nicht die Rache Mister Jocelyns fürchten.«
Betty nickte finster. »Keine Sorge. Ich habe es selbst herausgefunden. Ich möchte nur, dass Sie Ava sagen, dass ich ihr alles Glück wünsche. Ich finde, dass sie ein wunderbares Mädchen ist und in einem anderen Leben und unter anderen Gegebenheiten hätte ich gern eine Freundin wie sie gehabt.« Sie musste sich noch einmal mit dem Sari über die Wangen wischen. »Ava ist wunderbar! Ich verstehe jeden, der sie liebt!« Sie zog etwas undamenhaft und stockend die Nase hoch.
Mister Tiliri wackelte beschwichtigend mit dem Kopf. »Nun ja, so herrlich ist sie nun auch wieder nicht. Es ist eben wie mit allen Menschen, die dem Opium verfallen sind. Man sieht in ihnen oft das, was sie hätten sein können, wenn sie nicht der Sucht verfallen wären. Das macht sie so anziehend. Und es bewirkt, dass man sie so schwer wieder loslassen kann. Dass ein so junges Mädchen dem Opium verfallen ist, kommt zum Glück nicht so häufig vor. Aber oben in Darjeeling gibt es einige
davon.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich habe gehört, dass sie ihnen den besten Tee geben, um sie von ihrer Sucht zu heilen.«
»Sie ist opiumsüchtig?« Betty konnte es nicht fassen. Francis betrog sie mit einem Mädchen, das einer solchen Sucht verfallen war? Wie konnte er nur so etwas tun? Oder redete Mister Tiliri Ava nur übel nach?
Der alte Mann nickte bedauernd. »Ganz unter uns: Bei Ava scheint das Kurieren mit dem guten Tee nicht viel geholfen zu haben. Sie hat sich in den
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