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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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warten und die kostbare Ware bewachen.
    Mister Tiliri schaute nicht einmal auf, als Betty zur Tür hereinkam.
Er erwiderte auch nicht ihren Gruß. An der Decke drehte sich langsam der kreischende Ventilator.
    »Wahrscheinlich sind Sie schon wieder über alles im Bilde«, begann Betty. »Dann wissen Sie sicherlich auch, dass ich eine Passage nach Hamburg benötige und etwas Frachtraum für zwei Dutzend Kisten Tee. Können Sie mir eine Überfahrt vermitteln?«
    »Tee?« Mister Tiliri sah sie für den Hauch einer Sekunde über seine dicke Brille hinweg an, dann setzte er sie ab und lächelte. »Sie schulden mir übrigens noch ein Kistchen Tee!« Er sah sie misstrauisch von oben bis unten an. »Warum tragen Sie plötzlich indische Kleidung? Ist etwas passiert? Weiß Mister Jocelyn, dass Sie hier sind? Wo haben Sie den Tee?«
    Betty bemühte sich, zu überhören, dass Mister Tiliri den Namen von Francis genannt hatte, begann aber dennoch fast zu stottern. »Was Mister Jocelyn weiß oder nicht weiß, müssen Sie ihn schon selbst fragen. Und um auf Ihre andere Frage zurückzukommen: Der Tee ist draußen. Lassen Sie ein Paket hereinholen, ich selbst kann es leider nicht tragen, es sind 60 Pfund.«
    Mister Tiliri schüttelte den Kopf. »60 Pfund Tee! Was haben Sie mir eingepackt? Teakspäne? Oder trockenes Gras?«
    »Es ist der beste Tee, den es gibt. Er ist viel mehr wert, als die Passage den Berg hinauf nach Darjeeling gekostet hätte. Darum möchte ich dafür auch noch eine Passage nach Hamburg haben!«
    Mister Tiliri lachte so laut auf, dass sein Diener zusammenzuckte und den Ventilator mit seiner Kurbelvorrichtung in stärkere Bewegung versetzte. Betty hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, so laut war das. Mister Tiliri schien unbeeindruckt. »Und wenn es wirklich 60 Pfund Tee wären? Woher soll ich eine Passage nach Hamburg für Sie bekommen...?«

    »Nicht nur die Passage für mich und meine Dienerin. Auch Frachtraum für meinen Tee. Ich habe weitere 23 Pakete zu 60 Pfund!«
    Mister Tiliri seufzte. »Gut, meinetwegen. Sie haben eben noch mehr davon. Trotzdem dürfte es Ihnen schwerfallen, ein Schiff nach Westen zu finden. Heute Morgen ist wohl das letzte Schiff in diesem Jahr nach Westen ausgelaufen. Die Mermaid II ist früher als geplant losgesegelt, weil die, ähäm, die Freundin des Kapitäns am Fieber erkrankt ist. Er bringt sie nach England. Den holt niemand mehr ein.« Mister Tiliri seufzte. »Jammerschade, er hätte bestimmt noch 2000 Pfund Ladung übernehmen können. Nach ihm wird hier niemand mehr nach Europa losfahren. In China schwelt immer noch der Krieg. Mit den Friedensverträgen sind alle unglücklich. Was für ein Schiff soll das sein, das Hongkong oder Kanton verlässt, kurz in Kalkutta vorbeiguckt, um eine überspannte junge Dame und 23 Säcke Heu an Bord zu nehmen, und das dann nach Hamburg weitersegelt? Es gibt zurzeit kaum nennenswerten Handel mit China, und die wenigen Schiffe, die dort herauskommen, sind bis über alle Luken beladen. Warum sollten sie Kalkutta anlaufen? Wenn überhaupt, dann fahren sie in die entgegengesetzte Richtung.«
    Betty hatte Mister Tiliri mit wachsender Verzweiflung gelauscht, jetzt zog sie die Stirn in Falten und dachte nach.
    Mister Tiliri hob sofort die Hände. »Nein, bitte nicht dieser Blick. So haben Sie hier schon einmal gestanden. Sie sollten nicht einmal daran denken, nach Osten zu fahren. Was wollen Sie in China? Sich ein bisschen foltern lassen? Oder glauben Sie, dass die Engländer Ihnen helfen? Und wie wollen Sie dann nach Hause kommen?«
    Betty hatte sich in den Ruhesessel fallen lassen. »Die Erde ist doch rund, nicht wahr?«

    Mister Tiliri nahm erschöpft einen Schluck von seinem Tee. Diesmal trank er wieder den bitteren Assam, wie Betty jetzt bemerkte, und zu heiß war er zudem - die bräunliche Flüssigkeit in der Tasse dampfte sogar noch.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie mich daran erinnert haben, dass die Erde rund ist, ich hatte in den vergangenen Jahren näm lich den Eindruck, dass die Erde die Form einer Rampe hat.« Er seufzte. »Einer steilen Rampe. Nun gut. Wohin soll die Reise von China aus gehen? Über den Pazifik nach San Francisco? Und dann mit der Postkutsche an die Ostküste? Oder wollen Sie warten, bis die Chinesen dort die Eisenbahn gebaut haben?« Mister Tiliri schien das wirklich empörend zu finden. »Die chinesischen Arbeiter sollten lieber ihren asiatischen Verwandten, den Indern, helfen und hier bei uns eine Eisenbahn bauen.

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