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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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vergangenen Wochen mehrfach aus ihrer Schule herausgestohlen, und Mister Jocelyn musste sie oft tagelang suchen lassen, wie ich gehört habe. Dabei soll sie immer wieder versprochen haben, dass sie mit dem Opium aufhört. Aber so sind sie, die Süchtigen. Da hilft auch das viele Geld von Mister Jocelyn nicht viel. Ava war vor Kurzem hier unten am Hafen und hat sich bei einem Händler mehrere Kugeln besorgt. Sie gibt dafür alles, wenn Sie wissen, was ich meine.« Seine Brillengläser funkelten. »Ich meine das Körperliche.«
    »Was erlauben Sie sich?« Hatte sie das wirklich richtig verstanden? Wollte Mister Tiliri vielleicht ausdrücken, dass Ava sich einem Mann hingab, um dafür Opium zu erhalten? Das war nicht möglich. Und es war vollkommen ausgeschlossen, dass ein ehrenwerter Mann wie Francis so ein Mädchen lieben könnte. »Ich bin mir sicher, dass Sie Ava mit einem anderen Mädchen verwechseln!«
    Mister Tiliri zuckte die Schultern. »Wohl kaum. Vermutlich liegt sie jetzt irgendwo da oben in den Bergen und schläft ihren Rausch aus. Hoffentlich ist sie nicht für immer eingeschlafen!«
    Betty schüttelte den Kopf. »Nein, seien Sie unbesorgt. Vor einer Woche war sie noch quicklebendig.« Sie zögerte. »Das
habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen. Und sie machte nächtliche Besuche bei ihrem Liebhaber!«
    »Einen Liebhaber hat sie also auch? Na so was«, murmelte Mister Tiliri. »Und ich dachte, sie hat nur noch ihren Bruder. So kann man sich täuschen. Aber was versteht ein alter Mann wie ich schon von diesen Dingen? Man versieht sich ja auch leicht, wenn man einmal so alt ist wie ich. Man denkt eben immer, dass man alles schon einmal erlebt hat und dass es sich darum wieder genauso entwickelt wie die hunderte Male zuvor.« Nach einigem Herumgewühle hatte er endlich die Papiere gefunden, nun kritzelte er ein Zeichen auf einen großen Bogen und überreichte ihn Betty. Sogar ein Lächeln quetschte er sich noch ab. »Vergessen Sie die unwürdigen Bemerkungen eines alten Mannes und Sünders. Mir bleibt nur, Ihnen eine gute Reise zu wünschen. Sie können sich auf meine Diskre tion völlig verlassen!« Er stockte. »Und wenn Sie einmal wieder Tee zu verschenken haben...«, er kniff die Lippen zusammen, »... Tee zu verkaufen haben, meine ich, Mister Tiliri ist stets zu Diensten.« Er deutete eine leichte Verbeugung an.
    Betty fragte sich, ob er ihr überhaupt zugehört hatte. Viel eher sah es so aus, als wären ihre Bedingungen an ihm vorbeigezogen wie ein kühles Lüftchen und als hätten all seine Gedanken nur dem Tee gegolten. Als sie die Tür zuzog, hörte sie bereits das Klappern von Porzellan hinter sich.

7
    Die Cressida galt zwar als neues Schiff, aber der Eisenrumpf war bereits von rötlichen Algen bedeckt und auf dem ganzen Schiff roch es nach Unrat und verfaulten Lebensmitteln. Wie verlangt, waren Betty und Sikki mit dem Tee auf einem kleinen
Übersetzboot an Bord der Cressida gebracht worden, wo zwei benachbarte Verschläge für sie bereitstanden, die die Bezeichnung Kabine kaum verdienten. Dennoch schien dieser Bereich im vorderen Teil des Schiffes als eine Art einziger und somit bester Klasse zu firmieren, in der sich auch britische und indische Soldaten auf dem Weg nach Kanton einquartiert hatten, Reservisten zumeist und wieder genesene Verwundete. Auch die große Familie eines Missionars war an Bord, der seiner Sippe bereits nach China vorangereist war. Soweit Betty es sehen konnte, bestand die Reisegruppe aus mindestens fünf erwachsenen Frauen und einem guten Dutzend Kindern, sie lagerten in einem fensterlosen Raum vor Bettys beiden Verschlägen und hatten es sich bereits gemütlich gemacht. Von dort roch es nach saurer Milch, fauligen Bananen und trockenem Brot. Die einzigen Deckstühle, die es gab, standen in Reih und Glied im Raum der Familie und dienten den Kindern als Schlafstätten, das Wasserfass war in ihren Bereich gerollt worden, und wie es aussah, hatten sie sich auch sämtlicher Decken aus den Kojen der anderen Passagiere bemächtigt. In Bettys Kabine jedenfalls gab es keine mehr. Sikki wollte bereits losziehen, um einige der Decken zurückzuerobern, wurde aber von Betty beschwichtigt. Es war ohnehin zu heiß, um sich zuzudecken.
    Betty stellte mit Genugtuung fest, dass ihr Tee in den Paketen keinen besonderen Duft verströmte. Das sprach dafür, dass er sich auch nicht mit den Düften an Bord vermählen würde. Sikki hatte kopfschüttelnd die engen fensterlosen Kabinen

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