Die Teeprinzessin
zeigte die Blätter der Teesträucher. Die Teedose war mit winzigen Rosen verziert, die auf einer Seite ein Herz bildeten und auf der anderen zwei zarte, ineinander verschlungene Ringe.
Es dauerte keine halbe Stunde, bis Marijn ihrem jungen Ehemann mit einem Lächeln verkündete, dass sie beide Stücke an die Tochter des Kapitäns Willknecht verkauft hatte, zu einem Preis, für den man auch ein kleines Haus hätte bauen können. In den folgenden zwei Stunden waren nacheinander vier weitere Damen erschienen, die die Teedose kaufen wollten und nun enttäuscht wieder abzogen.
Und das war nur der Anfang. In den Folgejahren schien jede Mutter sich Löffel von Henningson für die Aussteuer ihrer Tochter zu wünschen, jede Frau wollte einen der Präsentierteller mit den wunderschönen Pflanzenmustern haben, man bestellte Teelöffel und Sahneschweber, Tortenheber und Wasserkrüge, Silbergabeln und Suppenlöffel, Haarspangen und Gürtelschnallen und vor allem die fein gearbeiteten Handtaschenverschlüsse in Form zweier Käfer, auch eine Idee von Marijn. Es war nicht so, dass Berthold Henningson damit zur Emder Gesellschaft gehört hätte. Aber er war wirtschaftlich erfolgreich und ein durchaus angesehener Mann.
Es war ein harter Winter, in dem die bereits zweieinhalb Jahrzehnte währende Ehe der Henningsons im Februar 1844 mit einer Tochter gesegnet wurde. Marijn Henningson nannte ihre einzige Tochter Elisabeth. Sie erlebte noch ihr erstes Lächeln, dann starb sie und hinterließ ihrem Mann einen zwei Monate alten, kräftig schreienden Säugling mit wirrem, dichtem Haar und einen Großauftrag eines holländischen Viehhändlers,
der zwölf Dutzend wohlfeiler Silberteller bestellt hatte. Berthold Henningson ziselierte anstelle der Blüten, Blätter und Tiere, für die er berühmt war, immer wieder das Konterfei seiner geliebten jungen Frau in die Muster und musste erleben, wie die Frau des Viehhändlers die Teller retournierte, indem sie sie vom Wagen herab in die Gasse vor die Werkstatt warf. Das Scheppern konnte man in der ganzen Stadt hören.
Es war der Anfang vom Ende des erfolgreichsten aller ostfriesischen Silberschmiede. Und der Beginn seiner Freundschaft zu Albert Asmussen, dessen großes Herz es nicht ertrug, seinen Nachbarn so leiden zu sehen. Er selbst hatte zwei Jahre zuvor seine Frau verloren, die im Kindbett gestorben war. Auch ihm war nur das Kind geblieben, Anton, sein einziger Sohn.
»Du weißt, dass die Silberschmiede nicht mehr gut läuft?«, begann der Vater das Gespräch. »Die Leute haben kein Geld mehr und unsere Sachen sind ihnen nicht modern genug.«
Betty nickte. Hatte das irgendetwas mit ihr zu tun? War sie etwa anspruchsvoll? Wie lange war es her, dass sie Stoff für ein neues Kleid bekommen hatte? Ihretwegen musste die Silberschmiede nicht gut laufen.
»Ja, Vater«, sagte Betty brav.
Henningson hustete und hielt sich ein großes Taschentuch vor den Mund, bis er wieder zu Atem kam. »Elkhuber hat mir heute Morgen angeboten, dich zur Frau zu nehmen, wenn du sechzehn bist«, sagte Henningson mehr zum Fenster hinaus als zu Betty gewandt. »Das sind nicht einmal mehr anderthalb Jahre.« Er hob fragend die Schultern, als ob er dafür eine Bestätigung brauchte. »Er ist ein guter Handwerker, und es ist ihm hoch anzurechnen, dass er ein fast völlig mittelloses Mädchen zur Frau nehmen will.«
Betty starrte ihren Vater an. Das konnte doch nicht wahr sein! Elkhuber! Sie konnte noch nicht einmal an seinen Namen
denken, ohne dass der Ekel ihre Kehle zuschnürte. Was fiel ihm nur ein? Zuerst lauerte er ihr im Flur auf, um sich ihr unsittlich zu nähern, und nun das! Betty hatte das Gefühl, dass sich der Boden unter ihren Füßen bewegte.
Der Vater hob beschwichtigend die Hand. Er hustete und presste dazu das Taschentuch vor den Mund. Es dauerte eine Weile, bis er wieder sprechen konnte. »Er ist nicht so schlecht, wie du glaubst. Ihr würdet hier in meinem Haus wohnen, bis ich, nun ja, bis ich...«, er hustete wieder.
Betty spürte, dass sich ein Kloß in ihrer Kehle bildete, die Augen füllten sich mit Tränen.
»Später will er mit dir nach Gmünd ziehen. Sein älterer Bruder ist krank, er kann einmal die Silberschmiede seines Vaters übernehmen. Dieses Haus hier könntet ihr verkaufen.« Henningson stützte sich erschöpft auf seine Werkbank. »Das ist das Angebot. Du musst gar nichts dazu sagen. Ich ahne, was du darüber denkst. Dein alter Vater mag zwar krank sein, aber blind ist er deswegen
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