Die Teeprinzessin
von Mux. »So sind sie, die Männer. Und diese Art von Männern ohnehin. Hat er mal eben einen Fotografen kennengelernt, wie überaus nett für beide!« Sie lächelte.
Betty wusste nicht, was sie sagen sollte. Drehte sich das Zimmer? Oder war sie von dem schweren Parfüm der alten Dame benommen? Was hatte Anton ihr geschrieben und was wollte er damit sagen? Erschien alles, was sie miteinander verband, plötzlich in einem anderen Licht? Sie sprang auf die Füße, warf den Brief auf den Tisch und rannte zur Tür hinaus.
»Aber nicht meinen Tee vergessen, wenn du zu ihm fährst und dann wieder zurückkommst«, rief Henny von Mux ihr hinterher. »Falls du überhaupt irgendwann einmal wiederkommst.«
Aber das wollte Betty Henningson schon nicht mehr hören. Sie war durch die dunkle Gasse in ihren Garten und durch die Hintertür ins Haus geschlüpft.
Sie wollte allein sein, nichts als das.
Im Haus war alles still, es wirkte auf eine merkwürdige Art unbewohnt.
Elkhubers schalen Atem roch sie, bevor sie ihn im Dämmerlicht des Flures entdecken konnte. Was machte der Geselle um diese Zeit noch hier? War er eben gerade aus dem Wirtshaus heimgekehrt? Dann hätte er eigentlich durch die Küchentür ins Haus kommen müssen, denn seine Kammer lag oberhalb der Küche auf dem sogenannten Silberboden, auf dem sie auch ihr Material aufbewahrten - zwar nicht das Rohsilber, das in einer Abseite hinter der Bettstatt des Vaters lagerte, aber die Blöcke und Formen.
Bevor sie auch nur den Mund öffnen konnte, hatte er schon seine schwielige große Hand über ihr Gesicht gelegt. »Aber...«, machte Betty und versuchte, die Hand von ihrem Gesicht zu lösen.
Elkhuber lachte und drückte sie mit dem anderen Arm fest an sich. »Keinen Laut! Verstehst du mich? Es hört dich ohnehin keiner!«
Betty versuchte, sich zu ducken, und drehte sich mit aller Kraft aus seiner Umarmung. Zu ihrer großen Überraschung ließ er sie plötzlich los und gab ihr einen kleinen Schubs.
»Das werde ich meinem Vater berichten!«, stieß sie hervor, als sie sich wieder hochrappelte. »Ich werde ihn sofort wecken!«
Elkhuber lachte höhnisch. »Da musst du aber schon mit mir ins Wirtshaus kommen. Meister Henningson liegt nämlich bei Plumbooms in der Schenke unter dem Stammtisch. Ich habe dafür gesorgt, dass er dort in aller Ruhe seinen Rausch ausschlafen kann. Und, keine Sorge, niemand wird jemals davon erfahren. Gustl Plumboom bekommt von mir einen hübschen kleinen Aussteuerlöffel geschlagen. So regelt man das!« Er lachte und kam wieder näher. »Und falls du nach Trude rufen willst... die wird dich nicht hören. Sie schläft tief und fest. Nachdem sie vor einer Viertelstunde noch sehr wach war.« Er lachte anzüglich. »Na, dann wollen wir mal sehen, was die Tochter des Hauses so zu bieten hat.« Er streckte eine Hand aus und versuchte, ihre Haare zu berühren.
»Frau Pannfisch!« Betty schlug mit beiden Händen nach ihm und versuchte, sich näher in Richtung ihres Zimmers zu tasten. Leider stand die große Leinenkommode im Weg. Sie stieß mit dem Knie gegen die scharfkantigen Eisenbeschläge, fühlte aber keinen Schmerz.
Elkhuber lachte. »Die alte Pannfisch hat sich die Ohren mit Kerzenwachs verstopft, du weißt doch, Trudes Kammer liegt direkt neben der ihren, und da geht es in jüngster Zeit nachts schon mal lauter zu!« Er lachte dröhnend.
In diesem Moment hörte man eine piepsige kleine Stimme. »Elkhuber? Bist du das?«
Betty erkannte sofort die verschlafene Stimme von Trude.
Elkhuber schien sich hervorragend zu amüsieren. »Das nenne
ich aber eine gute Auftragslage!« Dann hob er die Stimme und rief zurück: »Ich komme schon, mein Schatz!«
Trude antwortete mit einem Kichern.
»Und wir beide…«, Elkhuber fuhr mit einer Hand über Bettys Arm, »wir sehen uns dann später noch!«
Betty war mit einem Sprung in ihrem Zimmer und versuchte, den schweren Messingriegel vorzuschieben. Er ließ sich schon seit Jahren nicht mehr schließen und selbst der glänzende Türknauf schloss nicht mehr gut. Wie dumm, dass sie ihn niemals hatte reparieren lassen. Bislang war das allerdings auch nicht nötig gewesen. Im Sommer schlossen sie nachts nicht einmal die Haustür ab.
Sie musste etwas finden, womit sie die Tür verbarrikadieren konnte. Ohne Licht zu machen, sah sie sich in ihrem Zimmer um. Der große Eichenschrank würde eine stabile Sperre bilden, wenn sie ihn vor die Tür schob. Leider aber war er zu schwer. Er bewegte sich keinen
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