Die Teeprinzessin
neben die Menage zu stellen. Auch diese waren viel zu leicht. Molton war unterdessen schon wieder bei der Tür angelangt. Jetzt nur schnell hinterher.
Theodor Tollhoff blickte plötzlich auf und starrte Betty an. Sein Löffel, den er eben in die grünliche Suppe eingetaucht hatte, verharrte in der Luft. Er musterte sie von oben bis unten und lupfte dazu sogar seinen Hintern vom Stuhl. »Na, was haben wir denn da für ein niedliches Tierchen? Sag mir, Mama, ist das etwa mein Willkommensgeschenk? Wie heißt es denn, das Kätzchen?«
Betty schluckte. »Falls Sie mich angesprochen haben sollten, Herr Tollhoff, mein Name ist... Berta.«
Theodor Tollhoff streckte die Hand aus. »Komm her, mein Tierchen, lass dir über das weiche Haar streichen!«
Betty starrte den jungen Mann einen Moment lang an. »Ich muss wieder an meine Arbeit gehen. Dass ich hier als Haustochter die Böden scheuern muss, mag ja noch angehen, aber bestimmt gehört es nicht zu meinen Aufgaben, mich anfassen zu lassen!«
Aus den Augenwinkeln sah Betty, wie Molton neben der Tür erstarrte. Offenbar wusste er nicht genau, ob er gehen sollte oder bleiben. Aber da war Betty schon an ihm vorbeigerauscht und eilte durch den Flur.
»Was für ein wildes Tierchen!«, rief Theodor Tollhoff und fiel in das dröhnende Lachen seines Vaters ein. »Soll das Tierchen nur aufpassen, dass es nicht einmal gefangen wird!«
Betty eilte die Treppen hinunter und ließ sich in der Küche auf einen Stuhl fallen. Alida Meier musterte sie eindringlich, sagte aber nichts.
3
In den folgenden Tagen bemühte Betty sich, keinesfalls allein in die Räume in den oberen Etagen zu gehen, aber wenn sie Molton richtig verstand, waren sowohl der Hausherr als auch Theodor Tollhoff geschäftlich viel unterwegs, während die gnädige Frau in einem ihrer weiß eingerichteten Räume saß und grübelte. Besuch wurde kaum empfangen. »Das war früher ganz anders«, seufzte Alida Meier gelegentlich, kam aber nicht mit der Sprache heraus, was sich geändert hatte. Auch Fenja schwieg, sooft Betty sie auch fragte, wenn sie zusammen die Betten aufschüttelten oder die großen Leinentücher plätteten.
Sie sehnte den freien Sonntag herbei, wie sie sich schon lange nicht mehr auf etwas gefreut hatte. Ob Anton sofort Zeit haben würde, sich mit ihr zu unterhalten? Er würde bestimmt verstehen, dass sie ohne eigene Schuld in diese missliche Lage geraten war. Unterdessen war sie allerdings ganz froh, im Hause Tollhoff nicht mit am Tisch der Herrschaften sitzen zu müssen, sondern unter dem Schutz von Alida Meier mit dem Personal zusammenarbeiten zu können. So schwer die Arbeit war, gelegentlich scherzten sie auch miteinander herum, und besonders Fenja hatte ein wunderbares fröhliches Lachen.
Immer wieder stellte Betty sich vor, wie sie am Haus der Remburgs läuten und um ein Gespräch mit Anton bitten würde. Die Schwierigkeit lag nur in der Auswahl des richtigen Eingangs. So wie sie jetzt gekleidet war, konnte sie schlecht zum Hauptportal hineinspazieren. Aber am Dienstboteneingang
würde man ihr auch Auskunft geben, da war sich Betty ganz sicher.
Alida Meier achtete sehr streng darauf, dass sie am Sonntag nicht vor der Kirchzeit das Haus verließen. Selbst wenn keines der Mädchen zum Gottesdienst ging, so galt es doch als unschicklich, schon vorher »ohne Botschaft«, wie sie es ausdrückte, draußen herumzulaufen. So kam es, dass sich alle sechs Hausmädchen vor der Tür versammelt hatten und beim ersten Schlag der Glocke von St. Nikolai herausströmten. An diesem sonnigen Apriltag war es immer noch viel zu warm für die Jahreszeit. Ein zarter Morgenwind wehte in Bettys Gesicht, die Magnolie vor dem Haus zeigte kleine rosa Knospen und vor dem Haus der Nachbarn schickte sich bereits der Flieder an, seine winzigen weißen Blüten zu öffnen. Sie hatte wieder ihr grünes Reisekostüm angezogen, denn die beiden Sommerkleider und das gute blaue, die sie sonst noch besaß, erschienen ihr trotz der Wärme als zu dünn.
Betty hätte am liebsten laut geschrien, so froh war sie plötzlich. Die Stadt schien zu Ehren ihres ersten freien Tages zu strahlen. Alle Bürgersteige waren sauber gefegt, als ein Landauer vorbeifuhr, sah Betty, dass die Fahrgäste lächelten und im Sonntagsstaat waren.
Zum Jungfernstieg sei es nicht weit, hatte Fenja gesagt. Sie selbst wollte sich am Hafen mit Jan-Hinnerk treffen und mit ihm zum Frühlingsmarkt gehen, es seien Schausteller in der Stadt. Aber Betty könne das
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