Die Teeprinzessin
trugen die Mägde wohl immer Zöpfe und enge Haarreifen, schoss es Betty durch den Kopf.
»Da ist noch Kruste!«, mäkelte Alida Meier. Betty sah nur
ihre klobigen schwarzen Schuhe dicht neben ihrem zu Boden gewandten Gesicht stehen. »Die Kruste muss auch weg.«
Betty scheuerte und drückte. Schon schmerzte die Haut an ihren Fingern, in den Handflächen pochten zwei dicke weiße Blasen. Woher die glitschigen gelben Flecken auf dem Boden kamen, mochte sie sich gar nicht erst vorstellen. War das Eiter? Oder getrockneter Talg? Dem Geruch nach zu urteilen könnte es auch blutiges Knochenfett sein. Es würgte sie. Betty versuchte, möglichst flach zu atmen, gab das aber bald auf, denn diese Arbeit war die anstrengendste, die sie jemals verrichtet hatte. Die Seife bildete einen mehligen grauen Schaum. Etwas huschte vor ihrer Bürste davon. Ein schwarzer länglicher Käfer. Alida Meier war er auch nicht entgangen. Sie machte einen kleinen Sprung, den man einer Frau ihres Umfangs gar nicht zugetraut hätte, und zertrat das Tier mit ihrem Schuh. Es knackte. Betty unterdrückte einen Schrei. »Küchenschaben musst du immer gleich totmachen«, ordnete die Haushälterin an. »Die legen ihre Eier sonst überallhin.«
Unterdessen war das Wasser in ihrem Eimer so trüb wie eine Suppe. Und es schwammen auch genauso viele Rückstände darin. Das Schlimmste aber war der Gestank des trüben Wassers. Betty rappelte sich hoch, öffnete die Hintertür und goss den Inhalt des Eimers in den Garten. Dann stellte sie den Eimer in den Gossenstein unter ein Rohr und sah sich den eisernen Griff an, den man offenbar nur herumdrehen musste. Er löste sich ganz leicht. Sofort spie das untere Ende des Roh res einen Schwall Wasser aus. Betty hatte sich unterdessen die Ärmel hochgekrempelt. Es tat gut, einige der kalten Wassertropfen auf die erhitzten Unterarme zu bekommen. Jetzt floss das Wasser etwas weniger stark. Ob vielleicht immer nur eine gewisse Menge aus dem Hahn kam? Und dann versiegte? Sie bückte sich und versuchte, in das Rohr zu schauen. Tief im Inneren
des Rohres gurgelte etwas, dann folgte ein platzendes Geräusch und im nächsten Augenblick schoss mit einem großen Wasserstrahl ein lebender Aal in den Wassereimer hinein. Betty fuhr zurück. Der Aal war mindestens eineinhalb Ellen lang. Er berührte Bettys Hände und bäumte sich im Eimer auf.
»Herr im Himmel!«, rief Alida Meier und eilte Betty zu Hilfe. »Das ist ja ein Kawenzmann!« Sie griff in den Wassereimer, packte den Aal beim Schwanz und schlug seinen Kopf gegen den Rand des steinernen Beckens. Blutiges Fischwas ser spritzte auf Bettys Schütze und ein Spritzer traf sie auf der Wange. »Da wird sich der junge Herr aber freuen, wenn wir ihm den dicken Aal auf ein paar Buchenspänen am Ofen räuchern. Meistens kommen hier nur ganz kleine Stinte aus der Wasserleitung, das ist ja alles echtes Elbwasser, oder mal ein kaputter Stichling, aber so einen dicken Aal habe ich ja wohl meinen Lebtag noch nicht aus dem Rohr kommen sehen. Der bringt dir bestimmt Glück!« Alida Meier hatte den toten Aal in einen Korb geschmissen. »Du kannst ihn dann nachher fix ausnehmen. Über die Eingeweide freut sich die Katze. Aber nicht selbst von naschen! Aal ist nichts für junge Mädchen. Er macht sündig!«
Es dauerte den ganzen Tag, bis Betty sich von diesem Erlebnis wieder erholt hatte. Aber eigentlich kam sie gar nicht weiter dazu, sich zu ekeln. Alida Meier kommandierte sie von morgens bis abends herum. Sie mussten Nachttöpfe ausleeren, sollten aber den Inhalt nicht einfach aus dem Fenster leeren, wie die einfachen Leute das angeblich machten. Die alte Haushälterin sah streng unter ihrer Haube hervor, als sie das sagte. Bei Tollhoffs wurden die Nachttöpfe auf den Kompost hinter dem Stadthaus entleert. Entsprechend stank er auch an einem warmen Frühlingstag wie heute. Betty scheuerte Töpfe und schrubbte noch ein zweites Mal den Küchenboden, sie polierte
die Herdplatten, bis ihre Hände schwarz waren, und sie wusch Geschirr, bis sie wieder sauber waren, sie schleppte Wasserkrüge bis zur oberen Treppenstufe, wo sie vom ersten Stubenmädchen in Empfang genommen wurden, und stampfte Weißkohl zu Sauerkraut, bis ihre Arme fast taub waren.
Als gegen Nachmittag die anderen Mädchen bester Laune vom Wäschebleichen zurückkamen, war Betty so müde, dass sie sich nicht einmal all ihre Namen merken konnte. Fenja legte ihr die Hand auf den Arm. »Na, kleine Haustochter? Das Arbeiten bist du
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