Die Teeprinzessin
ebenfalls immer näher kam, so als habe er das Spiel noch niemals zuvor gesehen? Ein Schauder lief über Bettys Rücken. Alle, die hier mitspielten, kannten einander! Sie steckten alle unter einer Decke!
Sie stand nun in der vordersten Reihe. »Nehmen Sie vielleicht auch ein Schmuckstück, wenn jemand kein Geld hat?«
»Hoho!«, rief der Mann und blickte Betty aus seinen in dunklen Höhlen liegenden Augen an. »Hört, hört! Das junge Ding will ein Schmuckstück als Einsatz geben. Da will sich wohl jemand seine Aussteuer im Handumdrehen verdienen. Was ist es denn für ein Schmuckstück? Oder ist die junge Dame gar selbst das Schmuckstück? Niemanden hier würde es wundern!« Er lachte anzüglich.
Betty versuchte, sich nicht irritieren zu lassen. »Ich habe eine orientalische Spange! Sie ist aus Silber und es ist ein Mondstein darauf!« Betty griff in die Tasche ihres Reiserockes und legte die Spange mit dem Hasen auf den Tisch. Die Menge raunte. »Mein Vater ist Silberschmied!«, fügte Betty eilig hinzu. Das stimmte zwar, aber die Spange hatte er noch nie gesehen. Sie spürte, wie sie errötete.
Der Mann griff nach der Spange und drehte sie in den Händen. Dann nickte er langsam. »20 Mark wäre sie mir wert!« Das Zögern in seiner Stimme war genau zu hören. Ihm gefiel die Spange besser, als er zugeben mochte. Immer mehr Menschen drängten sich nun um seinen Tisch.
»Lass es das Mädchen versuchen!«, rief eine Frau.
Der Mann schien immer noch zu zögern. »Wenn Sie sie auf nur zehn Mark Kurant taxieren würden, bei fünfzigfachem Gewinn, wäre mir das auch recht«, beeilte Betty sich nun zu versichern. »Vielleicht ist die Brosche ja doch nicht so wertvoll, wie Sie denken!« Die Augen des Mannes blitzten nun. Auf so ein Angebot schien er gewartet zu haben. Aber entscheiden konnte er sich offenbar immer noch nicht.
»500 Mark Kurant will sie gewinnen?«, fragte der Mann in die Menge hinein. »Das ist viel Geld! Das ist für mich ein großes Risiko!«
Betty schluckte. Didi hatte nun ihre Hand ergriffen und zog leicht an ihr.
»Ich mache es mit geschlossenen Augen!«, rief Betty nun. »Ich kann ohnehin nicht sehr gut sehen«, log sie, »dann kann ich es ja auch ebenso gut raten, ohne hinzuschauen!«
Der Mund des Mannes öffnete sich leicht. Vor Erstaunen schien es ihm einen Moment lang die Sprache verschlagen zu haben. Betty sah, wie der Mann im grünen Hemd ihm ein Zeichen gab.
»Mach das nicht!«, flüsterte Didi, wie immer etwas zu laut. »Deine schöne Brosche!«
»Aber 500 Mark sind auch was Schönes!«, johlte der Mann, der nun offenbar selbst an dem Geschäft interessiert war. »Wir wollen alle sehen, ob die junge Frau ihr Glück machen kann.« Betty sah sich nach hinten um und bemerkte, dass sich unterdessen an die hundert Menschen angesammelt haben moch ten. In den hinteren Reihen wurde bereits darüber diskutiert, ob man nicht selbst auch so ein Geschäft wagen sollte. Schmuck oder Gold hatten allerdings die wenigsten. Ob der Mann auch einen Schuldschein nehmen würde?
»Wo ist der Gewinn?«, forderte Betty nun. »Ich möchte sehen, dass Sie auch so viel Geld haben, dann kann ich mir schon vorstellen, wie es ist, es zu besitzen!«
Der Mann wiederholte jedes ihrer Worte. Die Menge lachte.
»Ich setze danach die Taschenuhr meines Vaters«, rief ein junger Mann.
»Ich meines Vaters Brille!«, gellte ein anderer.
»Nun gut!« Der Spielleiter wackelte zufrieden mit dem Kopf. »Noch drei sollen heute an die Reihe kommen. Aber zuerst spielt diese junge Dame!« Er legte ein Säckchen mit Münzen auf den Tisch und bat Betty, den Inhalt nachzuzählen. Betty legte ihre Brosche daneben. Der kleine blaue Mondstein-Hase sah aus, als wolle er von dannen springen.
»Ich habe aber noch eine Bitte!«, rief Betty nun. Sie hatte ihre Stimme genauso erhoben wie der Schausteller, damit die Menge nur ja alles hören konnte. »Ich möchte mir vorher Ihre Hände ansehen, ob Sie nicht vielleicht eine versteckte Münze darin haben!«
Der Mann lachte. »Hoho, das ist ja köstlich. Natürlich kann die junge Dame meine Hände inspizieren. Wo soll ich sie denn hinlegen?« Er machte eine Bewegung, als ob er etwas greifen wolle. Einige der Männer lachten laut auf.
Betty schluckte. Der Mann sah nicht nur ungepflegt aus. Jetzt, wo sie in seiner Nähe stand, bemerkte sie auch noch deutlicher als zuvor den Gestank, der von ihm ausging. Sie ergriff eine seiner Hände und beugte sich tief darüber.
»Will sie mir noch
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