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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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sich weich und kühl an, wie immer.

5
    Der April war ebenso warm wie der März, und als es endlich Mai wurde, waren viele das schöne Wetter schon fast leid. Alida Meier klagte darüber, dass die Petersilie hinter dem Haus viel zu kleine Blätter habe, da könne »man sich tothacken«, wie sie sagte, bevor man mal ein wenig Petersilienmus für eine hanseatische Aalsuppe zusammenhabe.
    Nachdem Theodor Tollhoff wieder nach Leipzig abgereist war, kehrte etwas Ruhe im Haus am Cremon ein. Keine Extrawürste für den jungen Herrn mehr, keine heiße Suppe, die mitten in der Nacht bereitet werden sollte, und keine rohen Eier, die ihm serviert werden mussten, weil er vom vielen Feiern einen Kater hatte.
    Die Arbeit wurde aber trotzdem nicht weniger. Die hagere Gisela kündigte, weil ihre Mutter gestorben war und sie sich nun zu Hause in Dithmarschen um den Vater und die vier kleineren Geschwister kümmern musste. Auch Else verschwand
noch vor Ostern. Sie gab an, dass sie ihre kranke Tante in Hannover pflegen müsse, aber da kein entsprechender Brief und auch keine Nachricht gekommen war, glaubte das niemand. Zwei neue Hausmädchen indes wollte die Hausherrin nicht mehr einstellen. Molton, der Butler, glaubte mitangehört zu haben, dass Antje Tollhoff ganz in ihr Landhaus in Blankenese ziehen wolle, die Stadtluft bekäme ihr nicht mehr gut, und weder Mann noch Sohn ließen sich viel zu Hause blicken. Jetzt, am Ende des Frühlings, wurden die Pelzmärkte im Osten abgehalten und der alte Tollhoff hatte sich auf eine mehrwöchige Dienstreise begeben.
    Ein sichtbares gesellschaftliches Leben schienen die Tollhoffs nicht zu pflegen. Wann immer Betty fragte, ob in dem großen weißen Saal in der ersten Etage nicht mal ein Fest gefeiert würde, erklärte Alida Meier ihr mehr oder weniger barsch, dass Betty sich lieber um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern solle. So putzten sie und Fenja Woche für Woche die glatten Böden aus Kirschparkett, lüfteten die weißen Hussen über den Salonstühlen, entstaubten die Vorhänge und fingen die zarten Spinnen, die in diesen verlassenen Räumen von nichts als von Luft und Erinnerungen zu leben schienen.
    Manchmal traf sich Betty an ihren freien Tagen mit Anton und Ismael, die beide sehr freundlich zu ihr waren, sie aber nicht viel an ihrer Arbeit teilhaben ließen. Soweit Betty das verstand, ging es hauptsächlich darum, die Landbevölkerung möglichst urtümlich zu fotografieren, und eben nicht im Sonntagsstaat. Ismael wollte Gesichter sehen, betonte er immer wieder, keine Gewänder. Manchmal half Betty, den Landbewohnern diese Besonderheit zu erklären. Aber letztlich war es wohl keine Frage der Überredungskunst, ob sich ein alter Bauer ablichten lassen wollte. Wenn der reichste Bauer des Dorfes für Ismaels Fotografien minutenlang bewegungslos in die Kamera
starrte, dann wollten es meistens die anderen Dorfbewohner auch versuchen und ließen die ganze Prozedur klaglos über sich ergehen. Niemand fragte jemals danach, ob er eine der Fotografien sehen dürfe.
    Betty saß stets auf einem kleinen Stühlchen daneben. Es war deutlich, dass Ismael sie als Zuschauerin und Bewunderin seiner Kunst schätzte, dass er sie aber keinesfalls auch in der Kunst der Fotografie unterweisen wollte. Aber oft war sie froh, dass sie nicht auch noch am Sonntag arbeiten musste. Die Arbeit bei den Tollhoffs war schwer, und manchmal war sie am Sonntagmorgen so müde, dass sie am liebsten in der kühlen Mädchenkammer unter ihrer filzigen Decke liegen geblieben wäre, statt aufzustehen und sich von Alida Meier herumkommandieren zu lassen.
    In den ersten Wochen in Hamburg hatte ihr Fenja noch viel Arbeit abgenommen. Nun schien auch sie darunter zu leiden, dass nicht mehr so viele Dienstboten wie früher im Haus waren. Es fiel ihr sichtlich schwer, sich an die alte Aufteilung der Arbeit zu halten. So kam es, dass Betty manchmal sogar die Aufgaben von Fenja mit übernahm.
    Anfang Juni war es so heiß in der Stadt geworden, dass der Milchmann keine frische Milch mehr liefern konnte, sondern nur noch die sogenannte Satten, die schon auf den Hofstellen der Bauern zu einer festen säuerlichen Masse erstarrt war. Antje Tollhoff war bereits Ende Mai in ihr Landhaus in Blankenese übersiedelt und hatte den Butler Molton mitgenommen. Für den dortigen Haushalt, so hieß es, würden zwei oder drei Mädchen aus dem Fischerdorf eingestellt werden, die seien weniger aufmüpfig als die Mädchen in der Stadt und forderten nicht so

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