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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Ich bin Fotograf. Keiner von denen in den Studios der Stadt, die die Leute so ablichten und retouchieren, dass sie selbst sich lieben. Ich fotografiere die Menschen so, wie sie sind. Das mögen sie oft nicht. Anton mag es aber!« Er beobachtete sie, wie, um die Wirkung seiner Worte abschätzen zu können. »Meine Fotografien von Frauen zeigen sie, wie sie wirklich sind. Ich habe einen klaren Blick auf das sogenannte schwache Geschlecht. Ich bin eher Männern zugetan, wenn Sie verstehen, was ich meine!«
    Betty schüttelte den Kopf. Eine Erklärung für diesen Satz wollte sie allerdings auch lieber nicht haben. »Fotografiert Anton denn noch?«, fragte sie schnell.
    »Oh, das schöne Kind wechselt schnell das Thema. Das ist ganz in Ordnung, musst du wissen. Du bist im Winter fünfzehn geworden, nicht wahr? Für Spielzeug zu alt, für das Leben fast noch zu jung. Dumme Zeit, das. Ich entschuldige mich dafür, diese wertvolle Information über meine Vorlieben schon zu Beginn unserer jahrelangen Freundschaft gegeben zu haben. Ja, um Ihre Frage zu beantworten, Anton fotografiert sogar ganz ausgezeichnet. Vorausgesetzt, die Remburgs, dieser alte Bock von Firmeninhaber, lassen ihn aus ihren Fängen. Die jungen Damen dort im Hause werden ihm nicht viel anhaben können. Sie sind nur zu dumm, es zu merken!« Ismael streckte eine Hand
nach einer Schale Konfekt aus und reichte sie Betty. »Einen Cognac würden Sie in Ihrem Alter ja wohl ablehnen«, konstatierte Ismael ungerührt. »Obwohl Sie ihn nun sicher nötig hätten!«
    Betty griff nach einem kleinen Butterplätzchen und steckte es sich in den Mund. Sie kaute entschlossen, danach aß sie noch zwei weitere Plätzchen, ohne auf Aberdiras Reaktion zu achten. Wenn Anton ihm vertraute, konnte sie ihm auch vertrauen, mehr jedenfalls als den Tollhoffs. Er war anders als alle Menschen, die sie zuvor kennengelernt hatte, aber wenn sie ihrem eigenen Empfinden Glauben schenkte, konnte sie sagen, dass er recht freundlich war. Und interessant.
    Sie wollte ihn gerade bitten, ihr einige seiner Fotos zu zeigen, als es an der Tür polterte und Anton hereingestürzt kam. »Ist sie schon da?« Er strahlte, als er sie sah. »Herr des Lichtes! War das aber schwer, sich von den Remburgs loszueisen!« Anton sank auf den anderen kleinen Hocker und nahm Betty die Schale mit den Konfektstückchen aus der Hand. Er stopfte sich gleich zwei der Plätzchen auf einmal in den Mund.
    »Die hungrigen jungen Leute könnten bei mir auch ein Schmalzbrot bekommen!«, rief Ismael. Betty konnte sehen, dass er Anton liebevoll anlächelte.
    »Frau Remburg hatte Sorgen, dass du mein Liebchen sein könntest!«, fuhr Anton fort. »Sie wollte ganz genau wissen, wer du bist und was du machst, und als ich ihr gesagt habe, dass du versehentlich beim falschen Tollhoff in Stellung seiest, hat sie sich bekreuzigt!«
    »Meine Güte!«, rief Ismael mit gespielter Empörung, »dabei ist sie doch eigens zum protestantischen Glauben konvertiert, um den alten Pfeffersack Kurt Remburg an die Angel zu bekommen!«
    Anton lachte, wurde aber gleich darauf wieder ernst. »Sie
haben zu wenig Hauspersonal. Vor dem Sommer lohnt es sich nicht mehr, da fahren sie alle in ihre Landhäuser, aber nach dem Sommer, sagte Ricarda, wollen sie wieder einige Mädchen einstellen. Wenn du möchtest, dass ich ein Wort für dich einlege … aber du willst natürlich nicht immer in einer Küche arbeiten?« Er sah sie aufmerksam an.
    »Ricarda?«, wiederholte Betty. »Du nennst sie beim Vornamen?«
    Ismael nickte zustimmend. »Feines Gespür hat das Kind. Sie hört genau die Sachen aus einem Redestrom heraus, die eigentlich versteckt werden sollten!« Er nahm Anton die leere Schale aus der Hand und stellte sie auf ein Beistelltischchen. »Sie haben alle einen Narren an unserem kleinen Anton gefressen. Die Dame des Hauses vergöttert ihn, die beiden dümmlichen Töchter bekommen rote Flecken auf ihren knochigen Dekolletés, wenn sie ihn nur sehen, und der Hausherr stellt lange tot geglaubtes Leben unter seinem Hosenlatz fest, ohne dass ihn die Wanzen befallen hätten!« Ismael lachte laut auf, aber Betty fiel nicht in sein Lachen ein.
    »Ich hatte eigentlich angenommen, dass ich in der Stadt eine Stellung als Haustochter finden könnte«, sagte sie leise.
    Ismael schüttelte den Kopf. »Ob du ihr Geschirr wäschst und ihr Dreck deine Hände berührt oder ob ihre langweiligen und dummen Gespräche deine Ohren treffen, macht eigentlich keinen Unterschied!

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