Die Teeprinzessin
Singsang richtig deutete, so fluchte er dabei in verschiedenen Sprachen. »Bitte stehen Sie hier nicht in meinem Kontor und sehen mich mit diesem Blick an. Mister Tiliri hat nichts Böses getan. ER macht nur seine Arbeit.« Er wies auf einen ledergepolsterten Liegestuhl und bedeutete Betty, sich zu setzen. Sofort begann der Diener wieder, die Kurbel zu drehen. Der Ventilator kreischte. Da erschien ein anderer Diener und brachte ihr eine Schale dampfenden Tee. Woher kam er? Eine weitere Tür war Betty gar nicht aufgefallen. Betty hätte ihm die Tasse fast aus der Hand gerissen, so gierig war sie, endlich etwas zu trinken zu bekommen. Aber war das wirklich Assam-Tee, so wie der, den Mister Tiliri schlürfte?
Sie hielt die Schale zwischen ihren Handflächen und nä herte sich mit dem Gesicht langsam der Oberfläche der Flüssigkeit. Obwohl es so schummrig war in Mister Tiliris Kontor, konnte sie doch sehen, dass dieser Tee grünlicher war als der, den sie kannte. Und der Aufguss war auch weniger heiß, als sie es gewohnt war. Dann schloss sie die Augen. War es möglich,
dass sie die Farbe der Landschaft sehen konnte, in der diese Teeblätter gewachsen waren? Und war sie wirklich von einem tiefen Dunkelgrün? Lieblich war der Tee, wie ein Kuss, den sie noch nie gekostet hatte. Langsam hob sie die Schale an die Lippen. Die Flüssigkeit war weicher als alles, was sie bislang gespürt hatte, und sie schien von sich aus einen Weg zwischen Bettys Lippen hindurchzufinden. Betty schmeckte einen frühen Morgen, der noch einen Silberrand von Mondeskälte trug, sie fühlte den zarten Tau winziger Blätter und atmete den Blütenduft befreundeter Pflanzen. Sie ließ die Flüssigkeit ihre Kehle hinunterrinnen und hatte fast das Gefühl, dass dieser Tee sie verführte. Als sie nach einer Weile den Blick wieder hob, bemerkte sie, dass der Diener und Mister Tiliri sie beobachteten.
»Das ist ein recht ordentlicher Darjeeling«, sagte Betty. »Aus welchem Teegarten stammt er?«
Es dauerte eine Weile, bis Mister Tiliri sich aus seiner Starre gelöst hatte. »Recht ordentlicher Darjeeling ist gut gesagt. Er kommt aus irgendeinem Teegarten da oben. Was weiß denn ich!«
»Vielleicht können Sie mir dann aber sagen, was eine Fahrkarte dritter Klasse nach Darjeeling kostet?«
Mister Tiliri verschluckte sich fast an seinem Tee. »Fahrkarte! Dritter Klasse! Lady, so können Sie zu Hause in Ihrem Land reisen, aber nicht hier. Dritter Klasse nach Darjeeling bedeutet laufen . Das ist ein sehr komplizierter Weg! Es ist eine weite Reise! Sie werden erster Klasse fahren, ich habe überhaupt nur Reisende erster Klasse. Unter 60 englischen Pfund kann ich da überhaupt nichts machen!«
Betty hatte bisher in geziemender Körperhaltung, also aufrecht, in dem ledernen Liegestuhl gesessen, so wie es sich gehörte. Nun aber lehnte sie den Kopf gegen die Lehne und
schloss die Augen. Das nahm der Diener offenbar zum Anlass, die Kurbel noch heftiger zu drehen. Wäre noch Tee in ihrer Schale gewesen, so hätte die Oberfläche sich jetzt gekräuselt, da war sich Betty ganz sicher. 60 englische Pfund! So viel eigenes Geld würde sie nie und nimmer zusammenbekommen. Und das Silbergeld der Remburgs anzubrechen, kam überhaupt nicht infrage.
Mister Tiliri stöhnte und wedelte einen Diener weg, der ihm noch mehr Tee einschenken wollte. »Nicht den alten Assam, bitte. Ich trinke von dem, äh, recht ordentlichen Darjeeling, den wir da geschenkt bekommen haben.« Der Diener verbeugte sich. »Wie viel Geld haben Sie also, junge Dame?« Er hob schon wieder die Hände. »Bitte nicht Ihr Gesamtvermögen, nur die Summe, die Sie für Ihre Reise ausgeben wollen!«
Betty nestelte ihre kleine rote Geldbörse aus ihrem Tragebeutel. »Das kommt auf das Gleiche heraus!« Sie zählte die Münzen mit den Fingern. Es war das Geld, das Anton ihr gegeben hatte. »Dreißig Schilling.«
»Schilling.« Mister Tiliri sackte in seinem Stuhl zusammen, sodass er noch kleiner und zarter aussah. »Wie viel Mark Kurant sind das? Kann man so eine kleine Summe überhaupt noch ausrechnen?«
Betty sah ihn unverwandt an.
»Was kostet es mich, wenn Sie aufhören, mich so anzusehen? Sie hätten Henker werden sollen, statt Teehändlerin, ein ebenso hübscher Beruf für eine junge Dame!«
»Ich muss aber nach Darjeeling.«
Mister Tiliri schien nun wirklich mit sich zu ringen. »Gut. Fahren Sie rauf und kommen Sie irgendwann einmal wieder herunter. Dann haben Sie eine Kiste Tee für mich dabei,
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