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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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eine kleine Kiste von dem feinsten Darjeelingtee, den Sie auftreiben können. Ich denke, es sollte die Qualität sein, die Sie ›recht
ordentlich‹ zu nennen belieben. Ich habe gehört, dass die Sorte auch am Hof des Moguls in Delhi getrunken wird. Da sind wir nämlich ganz bescheiden, der Mogul und ich.« Lag da etwa ein feines Lächeln um seine Lippen? Und blitzten nicht seine Augen? »Meine Gegenleistung ist, dass ich Sie und Ihr umfangreiches Gepäck samt Ihrer beiden Silberkisten dort hinaufschaffe!«
    »Die Silberkisten!« Betty fuhr so schnell hoch, dass der Diener aufsprang und gleich darauf in die Knie sank. »Woher wissen Sie... Ich meine, wer sagt denn, dass ich Silber dabeihabe?« Mister Tiliri grunzte. »Die Europäer kommen hier alle mit Silber an. Was sollten sie auch sonst mitbringen, um Handel zu treiben? Kuckucksuhren? Saure Gurken? Oder ein paar Bahnen vom dem Kleiderstoff, den die hanseatische Dame trägt und aus dem sie hier die Putzlumpen machen? Oder gar Leinen für die Betten? Nein, nein, auf Nagelbrettern und in Bettwäsche aus Leinen liegen hier die Fakire, und auch das tun sie nicht die ganze Nacht lang. Es gibt weniges, was Europa zu bieten hat. Nur Silber.«
    »Ich würde gern mal schauen, ob es noch da ist!« Betty war zur Tür gegangen und wollte sie eben öffnen.
    Mister Tiliri lächelte fein. »Ich kann Sie beruhigen. Es ist nicht mehr da. Schon seit einer halben Stunde nicht mehr. Es liegt zusammen mit Ihrem restlichen Gepäckberg an der Bahnhofsstation nach Sahebgunge und vier von meinen Gurkhas bewachen es. Sie können versichert sein, dass niemand in Indien es wagen würde, Sie anzugreifen.« Er hüstelte. »Ein Inder jedenfalls würde es nicht tun!« Er warf einen Blick auf seine Taschenuhr. »Oh nein, Mister Tiliri musste leider lügen. Das Gepäck wird bereits soeben auf den Zug verladen. Ihr Abteil ist dort auch bereit. Und wenn Sie gleich ins Freie treten, dann steht dort eine von Mister Tiliris berühmten Kutschen mit den
schwarzen Ponys und wird Sie zur Abfahrt bringen. Auf Wiedersehen, junge Lady!« Er rappelte sich aus seinem Stuhl hoch, klammerte sich an der Tischkante fest und verbeugte sich leicht. »Bitte beeilen Sie sich nun.«
    Als Betty das kleine Kontorgebäude verlassen hatte, schien die Sonne noch heller und die Temperatur war weiter angestiegen. Obwohl sie gerade erst Tee getrunken hatte, schnürte der Durst schon wieder ihre Kehle zu. Ein Pferdeknecht in einem langen blassgrünen Gewand verbeugte sich und öffnete die Tür zu einer kleinen, offenen Kutsche mit einem roten Stoffbaldachin, vor der vier schwarze Ponys mit den Hufen im Staub kratzten. Das Gefährt fuhr so ruckartig an, dass Betty sich gerade noch festhalten konnte.
    Sie hatte einen Zug erwartet von der Art, wie sie in ihrer Heimat verkehrten. Aber das Einzige, was dieser Zug mit denen ihrer Heimat gemein hatte, war die schnaufende Lokomotive, die bereits hoch unter Dampf stand und einen Schwall weißen und schwarzen Rauches in den blauen Himmel hinaufpuffte. Das Abteil wurde von außen über ein herunterklappbares Eisentreppchen betreten, das hinter Betty sofort wieder hochschwang. Das war nicht eines der Abteile, wie sie sie kannte. Schon eher ähnelte es einem Salon. An den gegenüberliegenden Seiten standen zwei tabakbraune Samtsofas mit goldenen Kordeln und passenden Kissen. Auf den offenbar für Betty vorgesehenen Platz war ein seidenes weißes Sitzkissen geknöpft. Die Füße traten auf weiche Teppiche. Es duftete nach einem Gemisch aus Kaneel und Kardamom. Auf einem am Boden festgeschraubten Messingtischchen stand, hinter einer Art Reling, eine Kristallkaraffe mit klarem Wasser. Es gab nur ein einziges Glas. Betty wollte gerade die Hand danach ausstrecken und sich etwas Wasser eingießen, als sie der schmalen Tür gewahr wurde, die offenbar zu einem Nebenabteil führte. Ein
Diener erschien und schenkte ihr Wasser ein, dann huschte er wieder hinaus.
    Dieser Service und die Abgeschiedenheit im Zug standen in gewaltigem Gegensatz zum Komfort der eigentlichen Reise. Denn das Polster, auf dem Betty mehr thronte als saß, war in seinem Inneren offenbar mit besonders elastischen Sprungfedern versehen. Als es nun plötzlich ruckte und der Zug sich mit lautem Rattern in Bewegung setzte, federte Betty fast von ihrem Sitz hoch. Es schaukelte und schwankte, Betty hopste hoch und wieder herunter, versuchte, sich an den Griffen aus poliertem Messing festzuhalten, sprang auf die Füße und musste

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