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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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eine große Charge für die Remburgs kaufen, so wie es Anton eigentlich hatte tun sollen. Und eine kleine für sich selbst. Vielleicht wäre es nicht viel, aber sie war sich sicher, dass sie mit dem Geld, das Aberdira ihr gegeben hatte, zumindest vier oder fünf Kisten für sich selbst würde kaufen können. Dann würde sie sich um eine Passage zurück nach Hamburg bemühen und dort den Tee mit Gewinn verkaufen. Vor lauter Überlegen begann sich ihr Kopf zu drehen. Ehrlicher allerdings wäre es, wenn sie den Tee bei Remburgs abgäbe. Auf dem Schiff der Remburgs war sie hierhergereist. Sie war an Antons Stelle und in seine Pflichten eingetreten. Sie hatte versprochen, den Auftrag für Anton zu erledigen, auch wenn es das das Letzte sein würde, was sie jemals für ihn tat. Der Tee stand den Remburgs zu. Nur ein kleines Pfündchen würde sie davon abzweigen. Für die alte Frau von Mux und ihre schier unersättliche Teesucht. Oder war die alte Dame wieder ganz dem Champagner verfallen? Die Erinnerung an die alte Frau erschien Betty wie eine der Fotografien, die Anton machte. Blass und unwirklich, und man musste sich immer wieder sagen, dass es diese Dinge wirklich gab.
    Und dann würde sie noch ein Tütchen für sich selbst nehmen. Aber diesen Tee würde sie nicht trinken. Sie würde
nur daran schnuppern. Der Duft würde das größte Abenteuer ihres Lebens bewahren und ihre heimliche erste große Liebe. Sie seufzte. Es musste an den Temperaturen liegen, dass sie sich kaum bewegen, sondern nur ihren Gedanken nachhängen wollte.
    Bis zu dem kleinen Gebäude, das Ava genannt hatte, waren es keine zweihundert Fuß. Sollte sie ihr Gepäck hier zurücklassen? Die Einheimischen auf dem Markt und die hin- und hereilenden britischen Herren in ihren hellen Tropenanzügen waren offensichtlich alle mit ihren eigenen Belangen beschäftigt. Gab es hier Diebe? Betty stand mühsam auf und widerstand dem Impuls, sich undamenhaft zu recken und sich den Rücken zu reiben. Ob sie es schaffen würde, den schweren Koffer und die Tasche ans andere Ende des Hafens zu schleppen?
    Hatte man ihrem Gesicht angesehen, was sie dachte? Denn kaum hatte sie sich erhoben, da standen vier junge Männer vor ihr. Sie drängelten einander ein wenig und blickten unsicher zu Boden. Einem von ihnen gaben sie einen kleinen Schubs. Da blickte er Betty kurz an und sagte in einem singenden Deutsch, dass sie ihr Gepäck nach Darjeeling bringen könnten, wenn sie dahin wollte. Und sie selbst auch. Oder ob Betty lieber mit den schwarzen Ponys des Mister Tiliri reisen wolle? Das ginge natürlich auch. Dann würden sie auf das Gepäck aufpassen, während Betty bei Mister Tiliri ein Ticket kaufte.
    Betty zögerte. Sicherlich würde sie diese kleine Dienstleistung bezahlen müssen. Konnte sie sich das überhaupt leisten? Wie es aussah, hatte sie keine Wahl.
    Die Männer sprachen leise miteinander. Fast war es so, als ob sie ihre Gedanken lesen konnten. »Es kostet Sie nichts«, sagte nun der, den sie zuvor auch schon vorangeschubst hatten. »Es ist umsonst.«

    Betty lächelte. Dann hielt sie ihren Hut mit einer Hand fest und rannte über die Straße. Schon nach wenigen Schritten spürte sie, dass es zu anstrengend war, hier so schnell zu laufen. Es war, als ob sie durch Lehm liefe, obwohl die Straße rissig und trocken war. Zwei der britischen Beamten, die geschäftig mit Papierrollen unter dem Arm auf eines der großen Gebäude am Fluss zuzustreben schienen, blieben verblüfft stehen und schauten ihr nach.
    Das kleine braune Gebäude sah aus, als sei es verschlossen, aber kaum hatte Betty die schartige Holztür berührt, da gab sie nach innen nach und sie fand sich in einer Art unaufgeräumtem Kontor wieder. Es duftete nach frisch aufgebrühtem Tee, Assam, soweit Betty das beurteilen konnte. Sie konnte die schwere, dunkle Würze fast schon auf der Zunge spüren. Jetzt eine Tasse davon zu trinken, wie herrlich wäre das! Sie versuchte, den Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben. Überall lagen Papiere, viele von ihnen bewegten sich in dem starken Luftzug, den ein kreischender Deckenventilator verursachte. Warum ölte den niemand? Betty sah neugierig zu dem riesigen Holzrad hinauf und verfolgte einen Seilzug, der an der Decke entlang und über ein Rad an der Wand herunter bis zu einer Kurbel lief. Dort saß ein lächelnder junger Mann und drehte, was das Zeug nur hielt. Als er Bettys angesichtig wurde, drehte er nur noch schneller. Der Ventilator kreischte schriller.

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