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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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sein«, sagte er. »Reg, du nimmst die Whitechapel Road. Stan, du die Commercial Road. Ich nehm Stepney. Wir treffen uns im Blind Beggar. Das diebische Miststück! Wenn ich die erwisch, schlag ich ihr den verdammten Schädel ein.«
    Fiona hörte sie gehen. Sie wartete, bis die Haustür zuschlug, dann kroch sie hinter der Matratze hervor und stampfte mit den Füßen auf. Seamie weinte und zitterte. Sie nahm ihn in die Arme und lobte ihn, wie tapfer er gewesen sei.
    »Wer war das, Fee?« fragte er.
    »Sehr böse Männer.«
    »Warum sind sie hinter uns her?«
    Sie konnte ihm die Wahrheit nicht sagen. »Sie wollten unser Geld stehlen«, erklärte sie.
    »Können wir trotzdem unsere Zugfahrt noch machen?«
    »Natürlich können wir das. Wir machen uns gleich auf den Weg.«
    »Werden sie uns wieder verfolgen?«
    »Nein. Nie mehr. Das werde ich nicht zulassen.« Sie griff nach dem Mehlsack, nahm die Hand ihres Bruders und ging die Treppe hinunter.
     
    Der Gedanke, daß William Burton einen Sprung in der Schüssel hatte, war Bowler Sheehan früher schon einmal gekommen. Als der Mann jetzt wahnsinnig vor Zorn in seinem Arbeitszimmer auf und ab ging, kam er ihm wieder. Vor einer halben Stunde war er in Burtons Haus angekommen, um ihm zu sagen, daß Fiona Finnegan aus Whitechapel entkommen war. Er dachte, Burton wäre erleichtert, aber das war nicht der Fall. Er war wütend, völlig außer sich vor Zorn, und beschimpfte Sheehan, weil er sie nicht geschnappt hatte, bis ihm die Adern am Hals anschwollen, Speichel von seinen Lippen sprühte und seine eisigen schwarzen Augen glühten.
    Mit dem Schreien hatte er inzwischen aufgehört, aber er ging noch immer auf und ab. »Sie ist gefährlich«, sagte er. »Das kann ich nicht durchgehen lassen. Gerade bin ich mit der Albion-Bank in Verhandlungen getreten, um Burton Tea in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Sie sind argwöhnisch wegen all dem Gerede über einen Dockarbeiterstreik. Und eine Mordanklage gegen mich würde ihnen auch nicht gefallen. Sie kann mir schaden, Bowler. Sie weiß, was ich mit ihrem Vater gemacht habe.«
    »Es spielt doch überhaupt keine Rolle, was sie weiß«, antwortete Sheehan und säuberte sich mit einer Messerklinge die Nägel. »Selbst wenn sie’s der Polizei erzählt, glaubt ihr keiner, weil sie keinen Beweis hat. Die Bullen wäre der letzte Ort, wo sie hingehen würde. Sie muß sich viel mehr Sorgen machen als Sie. Sie hat einen Haufen Geld gestohlen, und dafür gibt es Zeugen.«
    Burton wollte sich nicht beruhigen lassen. Endlos faselte er weiter, was für eine hinterhältige und gemeine Person sie sei, wie dadurch sein Gang an die Börse vereitelt würde und daß er das Geld der Anleger brauche, um seine Expansion zu finanzieren.
    Sheehan ließ sein Messer zuschnappen und fragte sich, warum sich Kerle wie Burton mit ihren Anlagen und Aktien den Erwerb von Geld so verdammt kompliziert machten. Es war doch viel leichter, es einfach zu nehmen. Ihm reichte es für heute abend. Es war spät. Er brauchte eine gute Mahlzeit und ein Glas Whiskey. Wozu sollte er hier rumsitzen und sich das Gewäsch dieses Blödmanns anhören?
    »Was soll ich denn tun? An jede verdammte Tür in London klopfen?«
    Burton blieb stehen. Er richtete den Blick seiner unergründlichen schwarzen Augen auf ihn. Und Bowler, ein rücksichtsloser Kerl, der einen Menschen mit bloßen Händen erwürgte, wenn es sein mußte, war überrascht, daß ihm ein eisiger Schauder über den Rücken lief.
    »Was ich möchte«, antwortete er, »ist, daß du das Mädchen so schnell wie möglich findest und sie dann loswirst, wie ich dir bereits gesagt habe.«
    »Ich hab’s Ihnen doch gesagt. Ich hab’s versucht …«
    Burton schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. »Dann streng dich mehr an!«
    Sheehan stand auf und ging hinaus. Draußen spuckte er angewidert aus. Wenn Burton nicht so gut bezahlen würde, hätte er sich schon lange von ihm abgesetzt. Der Kerl machte mehr Schwierigkeiten, als er einbrachte.

   21   
    D er gleiche Alptraum kehrte immer wieder. Der dunkle Mann holte sie ein. Er hatte sie in eine Gasse gejagt, die vor einer Backsteinmauer endete. Es gab kein Entrinnen. Sie warf sich gegen die Wand und versuchte hinaufzuklettern. Die Schritte wurden lauter, eine Hand faßte sie an der Schulter, und …
    »Noch eine halbe Stunde bis Southampton, Miss.«
    Fiona schreckte hoch. Der Schaffner rüttelte sie wach.
    »Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe, aber wir kommen bald

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