Die Teerose
verdient hier und da noch ein paar Dollar.« Ein bedrückter Ausdruck trat in ihre Augen.
»Deswegen haben wir uns gerade angebrüllt«, sagte Fiona, die immer noch unter ihrem Streit mit Michael litt. »Ich habe gehofft, bei ihm arbeiten zu können. Eines Tages will ich meinen eigenen Laden aufmachen, und ich dachte, er könnte mir beibringen, was ich wissen muß.«
»Wenn ich nur das Geld hätte«, sagte Mary, »dann würde ich die verdammte Bank selbst auszahlen. Aber wer hat schon ein Vermögen … Hunderte von Dollars …«
»Es würde nichts helfen«, sagte Fiona und starrte in ihre Tasse. »Ich hab’s schon probiert. Ich hab ein bißchen Geld und angeboten, seine Schulden zu bezahlen, aber er hat abgelehnt.« Sie rührte das Gebräu um und fügte langsam hinzu: »Aber er hat mir seinen Schlüssel gegeben. Und mir gesagt, ich könne den Laden haben.«
Darauf folgte ein kurzes Schweigen. »Er hat Ihnen den Schlüssel gegeben?«
Fiona sah auf. Marys Augen wirkten nicht mehr bedrückt. Sie beugte sich vor, rutschte auf die Stuhlkante und sah sie aufgeregt an.
»Na ja, so könnte man sagen. Er hat ihn mir hingeworfen.«
»Mein Gott, Mädchen! Sie haben den Schlüssel und das Geld … Sie können den Laden wieder aufmachen!«
Seit ihr Onkel aus dem Haus gestürmt war, hatte Fiona genau dasselbe gedacht. Jetzt sprach Mary ihre Gedanken aus. »Glauben Sie wirklich, daß ich das könnte?« fragte sie leise.
Mary beugte sich über den Tisch und nahm Fionas Hände. »Ja sicher! Sie haben doch gerade gesagt, daß Sie einen Laden möchten? Nehmen Sie den Ihres Onkels!«
»Aber ich hab keine Ahnung, wie man ein Geschäft führt, Mary. Was ist, wenn ich damit auf die Nase falle?« Im einen Moment faszinierte sie der Gedanke, im nächsten machte ihr die Vorstellung angst.
»Das werden Sie nicht, Fiona. Das weiß ich einfach. Ich sehe doch, daß Sie eine tüchtige junge Frau sind. Was Sie nicht wissen, lernen Sie schon. Michael wußte auch nicht alles, als er angefangen hat. Er mußte auch dazulernen.«
Der ganze Plan war reiner Wahnsinn – und es war ein großes Risiko, das sie mit ihrem Geld einging. Aber seit dem Moment, als sie den Schlüssel berührt hatte, wollte sie es probieren. Und wenn es funktionierte? Wenn es sogar verdammt gut funktionierte? Sie wäre in der Lage, den Laden zu retten, Mary und ihre Familie hierzubehalten, ihren Onkel vor der Gosse und sich selbst vor einer Arbeit in der Fabrik zu bewahren.
»Ich … ich glaube, ich gehe zur Bank und rede mit dem, der hierfür zuständig ist«, sagte sie zögernd. »Ich hab noch nie einen Fuß in eine Bank gesetzt. Ich weiß gar nicht, was ich den Leuten sagen soll. Und selbst wenn ich es täte, hören sie mich vielleicht gar nicht an.«
»Ich wette, daß sie das werden. Bei einer Versteigerung müssen sie einen Verlust hinnehmen. Sie würden nie ihr ganzes Geld zurückkriegen. Ich bin sicher, es wäre ihnen lieber, wenn sie die Hypothekenzinsen weiter bekämen. Und wir würden tun, was wir können, nicht wahr, Ian?« Ian nickte heftig. »Wir helfen Ihnen, den Laden sauberzuhalten, ich kümmere mich um Seamie und wasche Ihre Vorhänge. Wir wollen unsere Wohnung nicht verlieren, stimmt’s, Ian?« Ian schüttelte den Kopf. Sie hörten die Eingangstür aufgehen. »Oh, das wird Alec sein«, sagte Mary. »Er wird Ihnen auch helfen. Er könnte Blumenkästen für die Schaufenster bepflanzen. Molly hat sie immer genommen. Sie wollte immer rechtzeitig zum Frühlingsanfang welche haben. Ach, sagen Sie ja, Fiona! Probieren Sie’s!«
Fiona lächelte. »In Ordnung, Mary, ich mach’s!«
Mary sprang auf, umarmte sie und versicherte ihr immer wieder, daß sie nicht Schiffbruch erleiden, sondern Erfolg haben würde. Als sie sich wieder setzte, kam ein Mann von etwa sechzig Jahren in die Küche. Seine Kleider waren abgetragen, aber sauber, gebügelt und sorgfältig ausgebessert. Unter seiner Kappe kam graues Haar hervor, er hatte einen grauen Bart und sanfte, graugrüne Augen.
»Ich hab mir eine Fischmahlzeit mitgebracht«, verkündete er zufrieden in so starkem schottischem Akzent, daß Fiona ihn kaum verstand. »Erste Klasse.«
»Vater«, sagte Mary tadelnd, »verpeste uns die Wohnung nicht, wenn wir Gäste haben.«
Mary stellte ihrem Schwiegervater Fiona und Seamie vor und erzählte ihm von ihren Plänen. Er versprach, Fiona schöne Blumenkästen voller Hyazinthen, Narzissen, Tulpen und Stiefmütterchen zu bepflanzen. Dann sagte er, daß er sich um seine
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