Die Teerose
Blumenbeete kümmern müsse, und bat seinen Enkel, ihm zu helfen.
»Ich komm schon, Großvater«, antwortete Ian und stopfte sich den letzten Bissen seines Ingwerbrots in den Mund. Unter den traurigen Blicken von Seamie nahm er seinem Großvater die Kübel ab.
»Möchtest du mithelfen, Kleiner?« fragte Mary. »Ich bin sicher, sie könnten noch jemanden brauchen.« Seamie nickte begeistert. »Also dann, fort mit euch.«
Fiona lächelte ihren Bruder an, der mit einem Kübel in der Hand Alec und Ian aus der Wohnung folgte. Es würde ihm guttun, draußen zu sein, anstatt ständig darüber nachzudenken, wer gestorben war. Sie half Mary, das Teegeschirr wegzuräumen, und sie entschieden, daß es am besten wäre, gleich mit der Reinigung des Ladens anzufangen.
Während Mary aus ihrem Besenschrank Seife, Lappen und Bürsten holte, trat Fiona ans Fenster, um nach ihrem Bruder zu sehen. Von der Küche aus konnte man den Hinterhof überblicken, und sie sah, wie er mit einer Hacke in einem Schubkarren Erde und Dünger mischte. Er stellte sich ungeschickt an mit dem großen Gerät, aber Alec schien das nicht zu stören. Sie hörte, wie der alte Mann ihn ermutigte und ihm erklärte, daß er sich leichter tue, wenn er den Griff weiter unten anfasse.
Eine leichte Brise wehte herein. Am Montag wäre der erste April, und nach der Brise zu urteilen, war der Frühling nicht mehr fern. Sie war froh. Warmes Wetter hieße, daß sie nicht viel Geld für Heizung ausgeben müßte. Ihr wurde etwas flau in der Magengegend, wenn sie an den Laden dachte, erinnerte sich aber, daß sie den Verlust ihrer Familie überstanden hatte, Mördern entkommen war und sich und ihren Bruder in Sicherheit gebracht hatte. Da würde sie doch wohl auch einen lächerlichen Lebensmittelladen in den Griff kriegen.
»Da wären wir«, sagte Mary, nahm ihr das Baby ab, reichte ihr einen Mop, einen Eimer und ein Stück Seife. »Ich leg nur noch Nell in den Korb, dann gehen wir runter.«
Als Fiona den Ladenschlüssel im Schloß umdrehte, sagte Mary: »Na, sehen Sie. Gerade mal einen Tag in New York, und schon haben Sie einen Laden. Sagen Sie bloß nicht, daß an den Sprüchen von Amerika als dem gelobten Land nichts dran ist.«
Das Schloß ging auf, Fiona drehte den Türknopf, und die Tür sprang auf. Ein fürchterlicher Gestank schlug ihr entgegen. Sie würgte und hielt sich einen von Marys Lappen vor die Nase. Als sich ihre Augen an die Dunkelheit im Laden gewöhnt hatten, entdeckte sie die Quelle des Gestanks – eine Fleischtheke. Ihr Inhalt schien sich zu bewegen. Maden, stellte sie fest. Tausende davon. Dick, weiß und ekelhaft. Sie schluckte schwer und versuchte, das Ingwerbrot bei sich zu behalten, das sie gerade gegessen hatte.
»Das erinnert mich an einen Spruch, den mein Vater von einem chinesischen Seemann gehört hat«, sagte sie, überwältigt von dem Unrat vor ihr.
»Und wie lautete der?« fragte Mary mit tränenden Augen und einem Taschentuch vor der Nase.
»Sei vorsichtig, was du dir wünschst, der Wunsch könnte in Erfüllung gehen.«
25
S cht, Nell, ja so ist’s brav …«, beruhigte Mary das schreiende Baby. Es half nichts. Das Kind brüllte ohrenbetäubend weiter.
»Fee? Kann ich Geld für ein paar Doughnuts haben? Gibst du mir einen Nickel?«
»Nein, Seamie, du kriegst keine Doughnuts zum Mittagessen.«
»Es heißt Lunch, Fee. Ian sagt, es heißt Lunch hier. Ich möchte einen Nickel.«
»Nein.«
»Charlie hat mir immer einen Nickel gegeben.«
»Charlie hat dir nie einen Nickel gegeben. In London gab’s keine Nickel.«
»Also gut, dann einen Penny. Kann ich einen Penny haben? Fünf Pennys?«
Aus dem Keller ertönte lautes Krachen, dann Schreie. »Ach, Mist, Ian! Schau, was du getan hast! Jetzt bin ich ganz voll …«
» Deine Schuld, Robbie! Ich hab dir gesagt, du sollst an deinem Ende festhalten!«
Fiona ließ den Lappen fallen, mit dem sie die Kasse geputzt hatte, und lief zur Tür. »Ian! Robbie! Alles in Ordnung?« rief sie, Nells Geschrei übertönend.
Ian stand auf der Hälfte der Treppe und hielt einen Teil einer Holzkiste in der Hand. Unterhalb von ihm stand sein Freund Robbie, mit braunem Matsch bespritzt, und hielt den anderen Teil.
»Wir wollten die schlechten Äpfel raufbringen, und die Kiste ist auseinandergebrochen«, sagte er.
Fiona spürte ein Zupfen an ihrem Rock. »Fee, ich will einen Nickel!«
Mary rief, daß Nell, die inzwischen wie eine Sirene heulte, naß sein müsse und daß sie sie nach
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