Die Teerose
Untergrundbahnen aufgeben und es mit Ladengeschäften versuchen.
»Versteck es irgendwo, Nick. Stell sie unter mein Bett. Das ist die Rate für die Hypothek nächsten Monat. Wenn Michael sie findet, trinkt er jedes Wirtshaus in der Stadt leer.« Sie sah Will an. »Mein Onkel hat ein ziemliches Alkoholproblem. Ich bin sicher, Mr. Ellis hat Ihnen das gesagt.«
Will nickte. Ellis hatte dies in ausgesuchten Worten getan. Er war ein bißchen verblüfft über Fionas direkte Art. In seinen Kreisen sprach niemand offen über derlei Dinge. Die gab es natürlich – Trinken, Spielen und Schlimmeres. Aber die Regel lautete, was man nicht weiß, macht einen nicht heiß.
»Freut mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, Mr. McClane«, sagte Nick und ging hinein.
»Ganz meinerseits, Mr. Soames.«
»Wollen Sie mit uns essen, Mr. McClane? Es würde mich freuen. Uns alle. Es soll eine kleine Feier werden. Heute morgen war ich noch so besorgt, ich dachte, niemand würde kommen. Ach, kommen Sie doch mit! Nick hat Champagner mitgebracht.«
»Nennen Sie mich bitte Will. Ich würde sehr gern mitkommen, aber ich muß gleich zu einem Geschäftsessen.«
Fiona nickte. Sie sah zu Boden, dann hob sie den Blick wieder, ihr hübsches Lächeln war verschwunden. »Wahrscheinlich etwas ganz Besonderes. Sie müssen mir verzeihen, gewöhnlich plaudere ich nicht so drauflos, aber ich bin so aufgeregt. Ich weiß nicht, wie ich heute nacht ein Auge zutun soll.«
Will begriff, sie glaubte, er lehne ihren Vorschlag ab, weil ihm ihre aufgedrehte Art nicht gefiel. Nichts konnte falscher sein. »Miss Finnegan, Sie haben nicht … bitte glauben Sie nicht … es freut mich, daß Sie wegen Ihres Ladens so aufgeregt sind. Ich bin genauso. Wenn ich die Gelegenheit dazu bekomme, rede ich Ihnen die Ohren voll über meine Untergrundbahn. Hören Sie, ich habe noch ein bißchen Zeit, bevor ich zu meinem Termin muß. Mir hilft ein Spaziergang, wenn ich aufgedreht bin. Sollen wir ein paar Schritte gehen?«
»Sehr gern! Mary braucht noch eine Weile, bis sie das Essen fertig hat, vor allem wenn Nick sich ständig einmischt. Aber ich halte Sie doch nicht auf, oder?«
Er machte eine verneinende Geste. »Ganz und gar nicht. Ich hab noch eine Menge Zeit.« Was nicht stimmte. Er würde sich entsetzlich verspäten, aber das war ihm vollkommen egal.
Sie lächelte wieder – ein strahlendes aufrichtiges und vollkommen entwaffnendes Lächeln, das er ausgelöst hatte, und das machte ihn glücklich. Sie nahm ihre Schürze ab und legte sie auf die Hausschwelle. »Ich bin bereit«, sagte sie. »Gehen wir.«
»Warten Sie«, sagte er und zog ein Taschentuch aus seiner Tasche. Vorsichtig rieb er ihre Wange damit ab. »Zimt«, sagte er. »Ein langer Streifen. Als gingen Sie auf Kriegszug.« Sie lachte. Ihre Haut war seidig wie ein Rosenblatt. Er rieb weiter, obwohl von dem Zimt schon nichts mehr zu sehen war, dann hörte er auf, damit sie nicht dachte, er wollte sie nur berühren. Was stimmte.
Sie gingen los, und sie sagte, wenn sie ihn Will nennen solle, dann müsse er sie Fiona nennen. Er erklärte sich einverstanden und unterdrückte ein Lächeln über ihr Aussehen. Haarsträhnen hatten sich aus ihrem Knoten gelöst, und ihre Kleider waren schmuddelig und zerknittert. Aber ihr Gesicht war sanft gerötet, und ihre herrlichen kobaltblauen Augen strahlten. Will hielt sie für die schönste Frau, die er je gesehen hatte.
Als sie in die Eighteenth Street einbogen, fragte er sie nach dem Laden, was ihre Kunden gekauft hatten und woher sie ihre Ideen hatte. Ihre Antworten waren klug und verständig. Und dann stellte sie ihm Fragen. Quetschte ihn geradezu aus. Wie reiche New Yorker ihr Vermögen gemacht hatten. Was sie machten. Was sie verkauften.
»Nun, Carnegie machte sein Vermögen mit Stahl«, begann er. »Die Rockefellers mit Öl, Morgan mit Eisenbahnen und Banken und … aber warum wollen Sie das alles wissen, Fiona?«
»Weil ich reich werden will. Ich will Millionärin werden, Will.«
»Wirklich?« fragte er und lächelte, weil wieder ein Tabu, wieder eine gesellschaftliche Regel gebrochen und achtlos über den Haufen geworfen wurde. Offensichtlich wußte sie nicht, daß Frauen eigentlich nicht über Geld sprachen. Zumindest die Frauen seiner Kreise nicht. Er hatte den Eindruck, daß sie sich einen Dreck darum scheren würde, wenn sie es wüßte.
»Ja, das will ich. Wie kann ich das anstellen? Wie haben Sie’s gemacht?«
Wieder ein Tabubruch. Stell keine intimen
Weitere Kostenlose Bücher