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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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passiert war, blieb er mitten auf dem Gehsteig der Eighteenth Street, zwischen Fifth Avenue und Broadway, stehen und konnte nicht fassen, was sie ausgestanden hatte. Es erklärte alles über sie, beantwortete alle seine Fragen. Warum sie hier war. Warum sie sich so sehr bemühte, ihrem Laden zum Erfolg zu verhelfen, warum sie so entschlossen war, reich zu werden. Er bewunderte ihren Mut, ihre Stärke, aber er hatte auch großes Mitgefühl mit ihr. Ohne zu überlegen, nahm er ihre Hand und bat sie, zu ihm zu kommen, wenn sie irgend etwas brauchte – Hilfe, Rat, was auch immer. Das hatte er nicht tun wollen, es war eine unüberlegte Geste, aber er war einer plötzlichen Regung gefolgt. Sie drückte ihm schlicht die Hand, dankte ihm und meinte, das würde sie tun.
    Als sie den Union Square erreichten, rief Fiona aus, sie müsse zurück, weil ihr Abendessen inzwischen sicher fertig sei. Doch bevor sie das tat, entdeckte sie eine Blumenverkäuferin – ein mageres, schmutziges Mädchen von nicht mehr als zwölf Jahren, das seine Waren feilbot. Das Mädchen hatte dunkelrote Rosen. Fiona sah sie sehnsüchtig an und sagte plötzlich, sie würde welche nehmen, auch wenn sie teuer seien. Als Belohnung für den guten Eröffnungstag. Er wollte sie für sie kaufen, aber das ließ sie nicht zu. Er bemerkte, daß sie dem kleinen Mädchen mehr gab als den verlangten Preis. Sie liebe Rosen, erklärte sie ihm und gab ihm eine für sein Knopfloch.
    Als sie schließlich wieder beim Laden angekommen waren, hing ein kleiner rothaariger Junge – ihr Bruder, erfuhr er – aus dem Fenster. Er rief ihr zu, sich zu beeilen. Alle seien schon am Verhungern, fügte er hinzu. Will küßte ihre Hand, hielt sie länger fest als angemessen und verabschiedete sich schließlich. Als seine Kutsche abfuhr, drehte er sich um und sah, wie sie mit den Rosen auf dem Gehsteig stand und ihm nachblickte. Und noch nie hatte es ihm so leid getan, zu einem Essen mit einer Flasche Chateau Lafite und einem siebengängigen Mahl gehen zu müssen.

   29   
    S tan Christie und Reg Smith waren nur ein paar Meter hinter Roddy O’Meara. Er konnte sie nicht sehen, hörte aber ihre Schritte und daß einer einen Knüppel gegen die Handfläche schlug.
    »Los, Bowler, gib ihnen ihr Stichwort«, sagte Roddy und setzte sich an Sheehans Tisch. »Bloß um sicherzugehen, daß sie bei dir sind, bevor ich dir was tun kann.«
    Sheehan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er polkte mit der Zunge einen Speiserest aus den Zähnen, dann nickte er kurz. Reg und Stan setzten sich wieder auf ihre Plätze an der Bar des Taj Mahal. Bowler schob seinen Teller, auf dem noch ein großes Stück saftiges Steak lag, zurück und funkelte Roddy wütend an. »Was wollen Sie?«
    »Dein Mann an der Bar hatte neulich nacht einen Zusammenstoß mit jemandem namens Joe Bristow.«
    »Sie machen Scherze, ja? Sie wollen mir doch nicht sagen, daß Sie hier sind, weil sich zwei Burschen gerauft haben?«
    »Ich bin wegen einem Mädchen hier. Fiona Finnegan. Bristow sagte, dein Gorilla wollte wissen, wo sie sich aufhält. Warum?«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Constable«, antwortete Bowler gekränkt. »Und überhaupt find ich’s unverschämt, hier reinzukommen, mir das Abendessen zu verderben und mich irgendwelcher Verbrechen zu bezichtigen …«
    Roddy seufzte, während Bowler seine Phrasen drosch, Unwissenheit, Unschuld und Betroffenheit heuchelte – das übliche. Nachdem er Dampf abgelassen hatte, sagte Roddy: »Wenn du es so willst, Bowler, in Ordnung. Du weißt, ich hatte immer die Devise, leben und leben lassen. Wenn ein Krimineller wie du einem anderen Kriminellen wie Denny Quinn Geld abnimmt, schert mich das nicht. Solange du keine ehrlichen arbeitenden Leute belästigst, ist mir das scheißegal. Aber ich warne dich, laß dir ja nichts anderes einfallen. Sag mir, was ich wissen will, oder ich heiz dir gehörig ein. Wenn du am Morgen aus dem Haus gehst, bin ich da. Wenn du in ein Pub, ein Bordell, zu einem Hunde-, einem Hahnen- oder Rattenkampf gehst, bin ich hinter dir. Wenn du nur versuchst …«
    »Schon gut! Schon gut!« sagte Bowler. »Mein Gott, was für ein Mist, daß der Ripper mit seinen Morden aufgehört hat. Mir hat’s besser gefallen, als ihr alle blindwütig dem Jack nachgerannt seid, statt mir die Luft zu verpesten.«
    »Was ist mit Fiona?« fragte Roddy.
    Bowler nahm einen Schluck Bier und sagte: »Ihre Miss Finnegan hat einem meiner Geschäftspartner fünfhundert Pfund

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