Die Teerose
er dich angesehen hat. Ich bin sicher, daß er ein Auge auf dich geworfen hat.«
»Mach dich nicht lächerlich. Ich bin halb so alt wie er, verfüge aber weder über Reichtum, noch komme ich aus den richtigen Kreisen.«
»Fiona, du bist eine schöne, faszinierende junge Frau. Welcher Mann wäre nicht hinter dir her? Gib zu … er gefällt dir auch. Du kannst’s mir ruhig sagen.«
Fiona sah ihn von der Seite an. »Ein bißchen vielleicht«, gestand sie. »Er ist ein wunderbarer Mann, charmant und reizend. Und unglaublich klug. Er weiß alles. Außerdem ist er ein Gentleman, aber …«
»Aber was? Wie kann es nach dieser Aufzählung noch ein ›aber‹ geben?«
Fiona zuckte die Achseln.
»Fee?«
Sie runzelte die Stirn und wischte mit ihrem Lappen über einen unsichtbaren Fleck.
»Ah, ich glaube, ich weiß es. Es ist dieser Bursche aus London, von dem du mir erzählt hast. Joe heißt er, nicht wahr?«
Sie rieb noch intensiver.
»Immer noch?«
Sie legte den Lappen weg. »Immer noch«, gab sie zu. »Es ist albern, ich weiß. Ich versuche, ihn zu vergessen, aber ich kann’s nicht.« Sie hob den Blick. »Einmal hab ich gehört, wie ein Dockarbeiter, der seine Hand bei einem Unfall verloren hatte, meinem Vater erzählt hat, daß er seine Hand immer noch spüren würde. Er sagte, bei feuchter Luft täten ihm die Gelenke weh, und bei Hitze jucke ihm die Haut. Genauso geht es mir mit Joe. Er ist fort, aber dennoch ist er’s nicht. Er ist immer noch in mir. Ich sehe ihn, höre ihn. Insgeheim rede ich immer noch mit ihm. Wann hören diese Gefühle endlich auf, Nick?«
»Wenn du dich wieder verliebst.«
»Aber was, wenn nicht?«
»Natürlich wirst du das. Du bist einfach noch nicht über ihn hinweg. Ich kann dir nur raten, mehr Zeit mit McClane zu verbringen. Ein Astor oder Vanderbilt würde auch einen netten Liebhaber abgeben. Das ist genau das, was du brauchst, Fee. Einen netten New Yorker Millionär. Der läßt dich deinen Gemüsehändler vergessen. Worüber hast du dich mit McClane auf dem Spaziergang eigentlich unterhalten? Das hast du mir noch nicht erzählt.«
»Über den Laden. Und Untergrundbahnen.«
Nick verzog das Gesicht. »Wie romantisch.«
»Er versucht, mir zu helfen, Nick. Ich hab ihm gesagt, daß ich Millionärin werden will und daß ich das Richtige finden muß, um reich zu werden.«
»Und was hat er gesagt? Hat er dir das Geheimnis verraten, das hinter seinen Millionen steckt?«
»Er hat gesagt, ich soll geduldig sein, rauskriegen, was sich verkauft, und mir Möglichkeiten überlegen, mein Geschäft auszubauen. Und wenn ich das täte, würde sich schon was ergeben. Ich soll mit kleinen Dingen anfangen, dann zu größeren übergehen, wie fertiges Essen anbieten oder vielleicht einen zweiten Laden eröffnen. Er hatte eine komische Ausdrucksweise, er hat gesagt: ›Beschäftigen Sie sich mit den Dingen, mit denen Sie sich auskennen.‹«
»Hat’s funktioniert? Hast du schon ein Vermögen gemacht?«
Fiona runzelte die Stirn. »Nein. Wir verkaufen allerdings mehr als zuvor. Marys kleine Snacks gehen jeden Tag weg, und jetzt fangen wir mit fertigen Salaten an. Wir müssen uns tatsächlich eine neue Kühltruhe anschaffen, um alles unterzubringen. Aber ich bin noch keine Millionärin. Nicht mal annähernd.«
»Mach dir keine Sorgen, Fee«, sagte Nick und tätschelte ihre Hand. »Ich will dir sagen, wie du Millionärin wirst.«
»Wie?«
»Heirate einen.«
Sie schlug nach ihm, aber er duckte sich weg. »Ich heirate keinen. Nie. Männer machen viel zuviel Schwierigkeiten.«
»Ich nicht.«
»Vor allem du.«
Die Ladentür ging auf. Mit gerunzelter Stirn kam Michael herein. Er hielt ein Blatt Papier in der Hand.
»Wenn man von Schwierigkeiten spricht …«, murmelte Fiona.
»Fiona, diese Rechnung kann nicht stimmen«, sagte er.
»Welche Rechnung und warum nicht?«
»Die von dem Teelieferanten. Millard’s. Was haben sie dir letztes Mal berechnet?«
»Es gibt kein letztes Mal. Das ist die erste Rechnung. Was stimmt nicht damit?«
»Da heißt es, wir hätten neunzehn Kisten von ihnen bezogen, seit der Laden wieder aufgemacht hat.«
»Das kann schon sein. Ich kann die Lieferscheine durchgehen und es überprüfen, aber ich bin mir sicher, daß Stuart uns nicht übers Ohr haut.«
»Das ist der indische Tee?« fragte Michael und legte die Rechnung auf die Ladentheke.
»Ja.«
Er schüttelte den Kopf. »Das gibt’s doch nicht. Ich hab Glück gehabt, wenn ich eine Kiste von dem Zeug
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