Die Teerose
erwischt.»
Der Barmann zögerte. »Mr. McClane … ich darf nicht, Sir. Die Regeln besagen …«
»Ich weiß, was die Regeln besagen. Ich würde sagen, geben Sie Miss Bly einen Scotch mit Eis. Sofort.« Will erhob die Stimme nicht, das war nicht nötig.
»Sofort, Sir.«
Will reichte Nellie ihren Drink. Sie stürzte die Hälfte mit einem Schluck hinunter, wischte sich mit dem Handrücken die Lippen ab und kam gleich aufs Thema. »Ich höre, daß August Belmont seinen Hut in den Ring geworfen hat. Meine Quelle im Rathaus behauptet, er habe eigene Pläne für die Untergrundbahn.«
»Warum fragen Sie ihn nicht selbst? Er sitzt mit John Rockefeller in der Ecke. Und macht meinen Plan runter, dessen bin ich mir sicher.«
»Weil er ein Heimlichtuer ist und mir nie was sagt. Ach, kommen Sie, Will. Mein Artikel muß bis neun fertig sein.«
Will leerte sein Glas und bestellte ein neues. »Es stimmt«, sagte er. »Er hat ein eigenes Team von Ingenieuren. Sie haben eine ganz andere Strecke ausgearbeitet als ich und die Pläne vor zwei Tagen dem Bürgermeister überreicht. Sie behaupten, ihr Plan sei wirtschaftlicher.«
Nellie stellte ihr Glas ab und begann zu schreiben. »Stimmt das?«
»Auf dem Papier schon. In Wirklichkeit würde ihr Plan die Stadt teurer kommen. Wesentlich.«
»Warum?« Eilig schrieb sie mit.
»Belmonts Route durchschneidet an einigen Stellen sumpfiges Gelände, an anderen reinen Schiefer. An manchen Punkten hat er Linien eingezeichnet, die direkt durch unterirdische Flüsse gehen. Seine Routen sind direkter als meine – so verkauft er dem Bürgermeister seine größere Wirtschaftlichkeit –, aber aufgrund der natürlichen Hindernisse würde der Bau mehr Zeit, mehr Arbeitsstunden und mehr Material verschlingen. Ein solches Vorhaben würde die Stadt nicht nur bankrott gehen lassen, die fehlerhafte Technik würde zudem die Sicherheit der Straßen und Bauten in Manhattan gefährden – ganz zu schweigen von der Sicherheit der Bürger – reicht das?»
»Perfekt«, sagte sie. »Danke, Will, Sie sind ein Schatz.« Sie, schloß ihren Notizblock und leerte ihr Glas. Will bestellte ihr ein neues. Sie sah ihn eindringlich an, als er es ihr reichte.
»Geht’s Ihnen gut? Sie sehen ein bißchen spitz aus.«
»Mir? Mir geht’s prima.«
»Sind Sie sicher?«
Er nickte und zuckte unter ihrem Blick ein wenig zusammen. Er mochte Nellie – sehr gern sogar –, aber er vergaß nie ihre Profession. Einem Reporter geschäftliche Informationen zu geben war eine gute Sache, wenn man es richtig anstellte, persönliche Informationen jedoch konnten überaus gefährlich sein. Er bemerkte, daß sie ihn immer noch ansah und eine Antwort erwartete. Er beschloß, sich mit Müdigkeit herauszureden, und hoffte, sie würde es durchgehen lassen. »Vielleicht liegt’s an der Arbeit«, sagte er. »Die letzten Tage waren ein bißchen anstrengend.«
»Das kauf ich Ihnen nicht ab. Wettstreit ist doch Ihr Lebenselixier. Da stimmt doch was nicht. Sind Sie krank?«
Will seufzte genervt. »Alles ist in Ordnung! Mir geht’s gut,ich …«
Sie hob das Glas an die Lippen und hielt plötzlich inne. »Es ist eine Frau, nicht wahr?«
»Hat Ihnen je jemand gesagt, daß Sie verdammt naseweis sind, Nellie?«
»Alle. Wer ist sie?«
»Niemand! Es gibt keine Frau! Es ist die Untergrundbahn. Klar?«
Nellie zog eine Augenbraue hoch und beendete damit das Thema. Will war erleichtert, obwohl er sich ärgerte, daß er sich gestattet hatte, so offen seine Gefühle zu zeigen. Inzwischen dachte er ständig an Fiona, und sosehr er sich auch bemühte, konnte er sich über seine Empfindungen für sie nicht klarwerden. Er wollte William Whitney, einem seiner ältesten Freunde, von ihr erzählen, aber Whitney meinte nur, warum er so ein Theater mache. »Kauf dem Mädel irgendeinen Schnickschnack und nimm sie mit ins Bett«, hatte er geraten.
Er hatte sich überlegt, seiner Schwester Lydia davon zu erzählen, aber er glaubte nicht, daß ihre Reaktion günstig ausfiele. Ständig versuchte sie, ihn für eine ihrer Freundinnen zu interessieren, eine Witwe aus Saratoga. Schließlich fiel seine Wahl auf seinen jüngeren Bruder Robert. Vor einer Woche hatten sie hier zusammen etwas getrunken, am Abend seiner Abreise nach Alaska, wo er nach Gold schürfte. Robert war sechunddreißig und nie verheiratet gewesen. Seine Verlobte Elizabeth war an Tuberkulose gestorben, als sie beide vierundzwanzig waren. Sie hatten sich sehr geliebt. Ihr Tod hatte ihm das
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