Die Teerose
ich noch gar nicht zugestimmt.«
»Wag nicht mal dran zu denken, daß du nein sagen könntest«, warnte ihn Fiona.
»Wie kann ich ja sagen? Ich kann doch nicht die Anstandsdame spielen bei jemandem, der zehn Jahre älter ist als ich.«
»Anstandsdame? Ich brauche keine Anstandsdame, Onkel Michael. Ich bin achtzehn Jahre alt!«
»Und er ist über vierzig und verdammt viel zu reich! Meine Nichte streunt nicht nachts in der Stadt herum am Arm eines …«
»Was ist los?« fragte Nick verschlafen. Er war aus seinem Zimmer gekommen und schloß den Gürtel seines seidenen Morgenmantels. »Ich hab Stimmen gehört und gedacht, ich träume.« Verständnislos sah er auf das Meer an Rosen. »Mein Gott, was sollen denn all die Blumen! Ist jemand gestorben?« fragte er beunruhigt. Er legte die Hand aufs Herz und prüfte, ob es noch schlug. »Gütiger Himmel! Hoffentlich nicht ich!«
38
V erdammt, Baxter, hör mit dem Lärm auf«, murmelte Joe. Er zog die Decke über den Kopf und grub sich tiefer ins Heu. Das Klopfen hielt an und hinderte ihn, wieder einzuschlafen. Er stöhnte laut auf. Er wollte nicht wach werden. Wachsein bedeutete die Rückkehr aller Dämonen, die der Schlaf gebannt hatte. Er versuchte, das Geräusch zu überhören, sich wieder in den Schlaf zu flüchten, aber es hörte nicht auf. »Baxter!« rief er. »Gib Ruhe!«
Das Klopfen verstummte. Joe spitzte die Ohren und hoffte, daß es vorbei war, aber dann fing es wieder an, noch heftiger als zuvor, und er bemerkte, daß es nicht das Pferd war. Baxter stampfte auf, wenn er etwas wollte.
»Joe! Joe Bristow! Bist du da? Mach die Tür auf! Los!«
Joe setzte sich auf. Er kannte die Stimme. Schnell stand er auf, zog sich an, lief die Stufen vom Heuboden hinunter und riß die Tür auf.
»Mama.«
»Also kennst du mich noch?« sagte Rose Bristow aufgebracht. Ihr Gesicht war gerötet, und ihr Strohhut saß schief auf dem Kopf. Sie trug einen großen, schwer aussehenden Korb.
»Woher weißt du, daß ich hier bin?«
»Meg Byrnes Matt hat mir erzählt, daß er dich gesehen hat«, antwortete sie, und ihre Augen funkelten vor Zorn. »Und daß er dir geholfen hat, eine Arbeit zu finden. Er hat mir auch gesagt, daß du von zu Hause fort bist. Daß Millie ihr Baby verloren hat und daß du dich scheiden läßt. Unwichtige Dinge eben, aber es wäre nett gewesen, wenn du uns Bescheid gesagt hättest. Zum Teufel, Junge, ich hab mir Sorgen um dich gemacht! Hab nicht gewußt, was mit dir passiert ist. Und wüßt es immer noch nicht, wenn Matt nicht gewesen wär. Eine Schande, daß ich alles von ihm erfahren muß und nicht mal weiß, wie’s dem eigenen Sohn geht!«
»Tut mir leid, Mama. Ich wollte dir keine Sorgen machen.«
»Ich soll mir keine Sorgen machen? Was soll ich denn sonst tun, wenn ich nichts von dir hör, dich nicht zu Gesicht krieg und noch nicht mal weiß, wo du wohnst …«
Joe sah zu Boden. Jetzt konnte er auch seine Mutter auf die Liste der Menschen setzen, die er verletzt und enttäuscht hatte.
»Was machst du überhaupt hier? Was ist denn passiert?«
Joe erzählte ihr alles. Angefangen von der schrecklichen Hochzeitsnacht über seine Entdeckung, was Fiona widerfahren war, bis hin zu Millies Fehlgeburt.
Rose seufzte, als er geendet hatte, und auf ihrem Gesicht zeichneten sich gleichzeitig Abscheu, Zorn und Mitgefühl ab. »Du hast wirklich ein großartiges Schlamassel angerichtet, das muß ich sagen.«
Er nickte bedrückt.
»Komm mit, du solltest jetzt bei deiner Familie sein.«
»Ich kann nicht, Mama. Nach allem, was ich angerichtet hab, will ich bloß noch allein sein. Ich kann niemand um mich haben. Ich tu allen nur weh, ich hab Fionas und Millies Leben ruiniert und mein eigenes Kind getötet.« Er bedeckte das Gesicht mit den Händen und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Er fühlte sich so schuldig für das, was er getan hatte – so grauenvoll schuldig und so unendlich traurig.
Rose streichelte den Kopf ihres Sohns. »Hör mir zu, Joe. Mich schert’s einen Dreck, was Millie passiert ist. Sie ist ein eigensüchtiges, intrigantes Stück. Das war sie und wird sie immer bleiben. Sie hat dir nachgestellt, dich in ihr Bett gezerrt und bekommen, was sie wollte. Du bist nicht unschuldig daran, Gott bewahre, aber sie wird einen anderen Ehemann finden und wieder Kinder kriegen. Um sie brauchst du dich nicht zu sorgen, und vielleicht lernt sie, sich nicht mehr zu nehmen, was ihr nicht gehört. Was das Baby anbelangt, ist es sicher
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