Die Teerose
konnte.»
»Ich hoffe, Sie haben genügend Vorrat«, sagte Will. »Wenn es die Runde macht, daß der Prinz von Wales TasTea trinkt, werden Sie mit Bestellungen überschwemmt. Und das meine ich wortwörtlich.«
»Wie soll das denn rauskommen? Nur Sie und Mary haben es gehört.«
»Mindestens zwei Reporter – die ich vom Sehen kenne –, vielleicht aber noch mehr, haben unsere Unterhaltung mit angehört. Der eine ist Peter Hylton – das größte Klatschmaul der Stadt. Ich rate Ihnen nur, vorbereitet zu sein, das ist alles.«
»Ihr Tisch ist bereit, Mr. McClane, wenn Sie Platz nehmen wollen«, sagte der Oberkellner.
Will bedeutete Fiona und Mary voranzugehen. Sobald sie im Speisesaal waren, versuchte Fiona, den Blick starr auf den Rücken des Kellners gerichtet zu halten, um nicht vor Staunen in die Runde zu starren, aber sie schaffte es nicht. Der Raum nahm sie mit seiner Pracht gefangen, sobald sie ihn betreten hatte. Er war mit Kristallüstern, karmesinfarbenen Tapeten und voluminösen Seidenvorhängen dekoriert und wurde von Gaslampen erleuchtet, deren Licht von riesigen vergoldeten Spiegeln zurückgeworfen wurde und silberne Gabeln, kristallene Weingläser und Diamanten aufblitzen ließ. Das angenehm summende Geräusch von Konversation und Lachen schlug ihr entgegen, unterbrochen vom Klappern der Bestecke und zart klirrenden Gläsern.
Sie spürte Blicke auf sich – bewundernde männliche, abschätzige weibliche – und war sich sicher, daß ihre Frisur nicht korrekt, ihr Kleid unpassend war. Bescheiden und ihrer Schönheit unbewußt, konnte sie das Interesse nur als Kritik verstehen. Sie hatte das Gefühl, es mit diesen Leuten in ihren teuren Kleidern nicht aufnehmen zu können, genauso wie sie es mit Millie Peterson nicht hatte aufnehmen können. Verstohlen warf sie Blicke auf die Frauen um sie herum, Frauen in Satin und Taft gehüllt, der gerüscht, plissiert, mit Perlen besetzt, bestickt, gerafft und gefältelt war. Riesige Edelsteine baumelten an zarten Ohrläppchen, und Perlenschnüre ergossen sich über alabasterne Dekolletés, die von feinsten französischen Korsagen aus Batist und Fischbein geformt wurden.
Ihre eigene Aufmachung war aufgrund von Nicks Beharren einfach und schlicht. Sie trug ein Kleid aus elfenbeinfarbenem Georgette mit kurzen Ärmeln und amethystfarbener Schärpe, auf dessen Rock eine Kaskade purpurfarbenen Flieders gestickt war. Der fließende Stoff umspielte schmeichelhaft ihren Körper und ließ sie biegsam und zart erscheinen im Gegensatz zu vielen Frauen im Raum, die eindeutig ausgestopft wirkten.
Sie trug kein Korsett, das hatte sie nie getan. Mary zwang sie, in der Wäscheabteilung von Macy’s eines anzuprobieren, nachdem sie ihr Kleid gekauft hatte, aber es drückte und zwickte und nahm ihr den Atem. Ein gutes Leibchen und eine Unterhose aus Baumwolle hatten ihr bis jetzt gute Dienste geleistet und würden es auch weiterhin tun. Außerdem sollte ihr Busen an der Stelle bleiben, an die er hingehörte, und nicht bis unters Kinn hochgepreßt werden.
Ihr einziger Schmuck bestand aus einem Paar Perlohrringe, die sie in der Schatulle ihrer verstorbenen Tante gefunden hatte. Sie trug keine Federn und Diamantspangen im Haar, nur ein paar matt rosafarbene Rosen, die Alec von seinen Sträuchern gepflückt hatte. Als sie mit federndem Schritt und strahlendem, offenem Gesicht durch den Raum ging, drehten sich alle nach ihr um.
Fionas Interesse an dem Raum wurde bald durch den Oberkellner abgelenkt. Der Mann hatte fast den ganzen Saal durchquert und schien noch immer nicht die Absicht zu haben, sie an einen Tisch zu führen. Verwirrt drehte sie sich zu Will um.
»Ich hab ein Séparée bestellt«, erklärte er. »Hier sitzt man wie auf dem Präsentierteller. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.« Sie gingen bis zum Ende des Raums, dann eine Treppe hinauf, und der Kellner führte sie bis zu einer Doppeltür, die er öffnete. »Nach Ihnen«, sagte Will und legte die Hand auf ihren Rücken.
Fiona blieb die Luft weg, als sie den Raum betrat. »O Will«, flüsterte sie, als sie sich umsah.
»Mein Gott!« rief Mary aus, zu verblüfft, um durch die Tür zu treten.
Will zuckte die Achseln und versuchte, sich nonchalant zu geben, war aber dennoch sichtlich erfreut über Fionas Reaktion. »Sie sagten mir doch, daß Sie Rosen mögen«, antwortete er.
Der Raum war ein einziges Blütenmeer. Überall Rosen – in Girlanden und Vasen. Pfingstrosen und Hortensien verbargen den Kamin, hohe
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