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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Zaun vorkam, und die Männer dahinter wie Kampfstiere, die zum Schutz der Leute eingepfercht worden waren. Sie näherte sich dem Mann auf dem Stuhl. »Entschuldigen Sie«, begann sie.
    Er beachtete sie nicht, sondern hörte einem atemlosen jungen Burschen zu, der inmitten einer Gruppe von Männern stand. »Ich war gerade in der Börse unten«, sagte er. »Das reinste Chaos! Die Leute schreien und toben. Ich hab drei Raufereien gesehen …«
    »Wie steht’s mit den Gebrüdern Sullivan?« fragte jemand.
    »Einer ist im Krankenhaus. Eine Herzattacke. Der andere ist tot. Hat sich erschossen.«
    Die Nachricht löste Empörung und Entsetzen aus.
    Fiona versuchte es noch einmal. »Entschuldigen Sie, kann ich Mr. Hurst sprechen?« Keine Reaktion. Sie war drauf und dran zu verzweifeln, weil sie kein Gehör fand, als sie spürte, wie sich eine Hand auf ihren Rücken legte. »Will!« rief sie aus, erleichtert, ihn zu sehen. »Ich dachte, du hättest keine Zeit.«
    »Ich hab’s geschafft, mich loszueisen. Aber nicht für lange. Heute jagt bei mir ein Termin den anderen. Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht.« Bei einem weiteren Kraftausdruck, der durch den Raum schallte, zuckte er zusammen. »Was zum Teufel ist denn hier los? Wo ist Hurst?«
    »Ich weiß es nicht. Ich hab versucht, auf mich aufmerksam zu machen, aber ohne Erfolg.«
    »Mr. Martin«, brüllte Will den Mann auf dem Stuhl an. Er drehte sich um. »Hier ist eine Dame. Ich erwarte, daß Sie sich entsprechend benehmen.«
    »Tut mir leid, Mr. McClane. Hab Sie nicht gesehen, Miss.« Er drehte sich wieder um, steckte die Finger in den Mund und ließ einen durchdringenden Pfiff erschallen.
    Er hatte sie nicht gesehen. Aber da war auch Will noch nicht an ihrer Seite gewesen.
    »Eine Dame ist im Haus, meine Herren!« rief Mr. Martin. Die Schreiber und Händler reckten die Hälse, sahen Fiona und Will, und der Lärmpegel wurde sofort beträchtlich niedriger. Mr. Martin nahm seinen Telefonhörer ab und informierte Mr. Hurst, daß Mr. McClane ihn sprechen wolle. Kurz darauf kam ein rundlicher kleiner Mann mit ausgestreckter Hand die Treppe zum oberen Stockwerk heruntergelaufen. Er begrüßte sie und rief dem Bürojungen zu, für Mr. McClane und seinen Gast Erfrischungen zu bringen.
    Fiona hatte sich inzwischen daran gewöhnt, daß sich vor Will die Fluten teilten. In den drei Wochen, die er sie besuchte, hatte er sie mit Seamie zu einem Picknick an den Strand von New Jersey mitgenommen, sie zu Rector’s zum Dinner und in die Oper eingeladen. Ihr Onkel hatte ihr erlaubt, ohne Begleitung einer Anstandsdame zu dem Picknick zu gehen – offensichtlich dachte er, daß Seamie ausreichte –, aber er bestand darauf, daß Nick, der inzwischen wieder auf den Beinen war, sie in die Oper begleitete. Ihm war zu Ohren gekommen, daß in den Privatlogen ungehörige Dinge vorfielen. Und Mary mußte sie zu Rector’s begleiten, denn er hatte gehört, daß es ein vornehmes Hummerlokal sei. Wo immer sie hingingen, überschlugen sich die Menschen geradezu, um Will zu gefallen. Fiona mußte lernen, sich bedienen zu lassen, wenn sie mit ihm unterwegs war, dem Kellner keine Teller zu reichen, keine Dekkel abzunehmen und keinen Wein einzugießen. Als sie jetzt sah, wie Peter Hurst um ihn herumscharwenzelte, stellte sie erneut fest, was für ein mächtiger Mann er war.
    »Peter, was soll die ganze Aufregung hier?« fragte er.
    »Eine Übernahme.«
    »Wessen Firma?«
    »Eine Reederei in Brooklyn. Gebrüder Sullivan. Drei der Hauptaktionäre haben Aktien aufgekauft, wie es scheint. Heute haben sie sich zusammengeschlossen und den Familienbetrieb übernommen. Niemand hat das kommen sehen. Es ist ein gnadenloses Geschäft.«
    »Das können sie tun?« fragte Fiona, als sie den beiden Männern in Hursts Büro folgte. »Jemand kann einfach einem anderen die Firma wegnehmen?«
    »Ich fürchte schon«, antwortete Hurst. »Es ist kein sehr ehrenwertes Vorgehen, aber vollkommen legal …« Er wurde vom Klingeln des Telefons unterbrochen. Er entschuldigte sich, nahm ab und reichte dann den Hörer an Will weiter. »Es ist für Sie.«
    »Was ist los, Jeanne? Gleich jetzt?« Er seufzte. »Also gut, sagen Sie ihm, ich komme.« Er reichte den Hörer zurück. »Tut mir leid«, sagte er zu Fiona. »Ich muß los. Der Bürgermeister. Die Untergrundbahn. Der übliche Unsinn. Ich nehme eine Droschke und laß dir die Kutsche.«
    »Sie ist in ausgezeichneten Händen bei uns, Mr. McClane«, versicherte

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