Die Teerose
Ohrringe, die wie Diamanten aussahen, aber nur Simili waren und von ihrer Freundin Maddie stammten. Das Kleid wirkte schlicht, fast klassisch griechisch. Ihm fiel auf, daß sie die einfachsten Dinge zu größter Geltung bringen konnte.
Sie hatte ihm erzählt, daß Nick ihr beim Aussuchen des Kleids geholfen habe. Er war ein bißchen eifersüchtig auf den Jungen, obwohl er das Gefühl zu unterdrücken versuchte. Einmal hatte er sie gefragt, ob er mit Nick im Wettstreit stehe, und sie war zu seiner Überraschung in schallendes Gelächter ausgebrochen. Wenn überhaupt, hatte sie geantwortet, dann stehe sie mit Nick im Wettstreit. Was seltsam klang, aber bei Nick kannte man sich nicht aus. Er wirkte nicht weibisch. Da gab es zwar sein Interesse an Kunst und einen Hang zu exzentrischer Kleidung – Londoner Westen, weiße Leinenanzüge, bunte Krawatten –, was Will jedoch auf seine Nationalität zurückführte. Schließlich war er Engländer, und das erklärte eine Menge. Fiona und Nick standen sich sehr nah, sie waren sogar unzertrennlich, und die Zärtlichkeit zwischen den beiden zeigte ihm, daß er keine Chance bei ihr gehabt hätte, wenn der junge Soames auf Frauen gestanden hätte. Um ihr zu gefallen, hatte er Nick in Kauf genommen und förderte seine Karriere. Auf der Bierstadt-Party hatte er ihn William Whitney, Anthony Drexel und J.P. Morgan vorgestellt, allesamt Kunstsammler.
Und er hatte Fiona mit Caroline Astor bekannt gemacht, der absoluten Königin der New Yorker Gesellschaft. Die meisten Frauen hätten vor Angst gezittert. Nicht so Fiona. Sie hatte nur gelächelt, Carolines Hand geschüttelt und »Umwerfende Party, nicht wahr?« gesagt. Caroline war schroff und eisig gewesen, hatte sich dann aber doch die Frage nicht verkneifen können, wo sie das hübsche Kleid gekauft habe. »Paris?« fragte sie. »London?«
»Nein, Macy’s«, hatte Fiona geantwortet.
Caroline hatte die Augen aufgerissen und dann herzlich gelacht. So wirkte Fiona eben auf Leute. Sie war vollkommen unprätentiös. Sie bezauberte frostige Gesellschaftsdamen und starre Geschäftsleute allein durch ihre echte, unerschrockene Art. Sie verwirrte sogar Morgan, den reichsten Mann des Landes, als Will sie ihm vorstellte, indem sie seinem strengen Blick standhielt, lächelte und ihm die Hand schüttelte wie ein Mann. Später hatte sich Morgan bei Will scherzhaft beklagt, daß sie kein bißchen eingeschüchtert von ihm gewesen sei, obwohl sie doch den Anstand hätte haben sollen, ein bißchen Ehrfurcht vor ihm zu zeigen.
Will hatte sich über beide Ohren in sie verliebt und wünschte sich nichts mehr, als ihr dies zu gestehen. Einmal hätte er es auf dem Heimweg von einem Essen fast getan, aber eine gewisse Abwehr gespürt, als er das Thema anschnitt. Er nahm an, daß sie möglicherweise seine Aufrichtigkeit bezweifelte. Vielleicht befürchtete sie – genau wie er es getan hatte – daß es zwischen ihnen nicht gutgehen könne, und wollte sich nicht das Herz brechen lassen. Er hatte das Gefühl, daß dies schon jemand getan hatte. Sie war leidenschaftlich in ihrer Liebe – das spürte er an der Art ihrer Berührungen, wie sie ihn küßte –, aber er spürte auch einen gewissen Argwohn. Er würde sie bald seiner Familie vorstellen und ihr damit zeigen, daß er es ernst meinte. Das würde er auch wegen seiner Kinder tun. Irgendwann würden er und Fiona in einem Restaurant Will junior oder James begegnen, oder jemand würde erwähnen, sie mit ihm gesehen zu haben. Glücklicherweise las niemand von ihnen Peters Klatschecke. Hylton schien an Fiona einen Narren gefressen zu haben. Fast jede Woche wurde sie in seiner Kolumne erwähnt. Er beschrieb, was sie trug, daß sie entweder am Arm des eleganten jungen Engländers Nick Soames oder Wills erscheine und daß sich alle fragten, wer bei ihr wohl das Rennen machen würde. Offensichtlich waren ihm sowohl Nicks sexuelle Orientierung als auch seine Rolle als Anstandswauwau entgangen.
»Vater?« fragte Will junior. »Ich hab dir eine Frage gestellt. Hast du mich verstanden?«
»Nein, tut mir leid, ich war ganz woanders.« Er bemerkte, daß Emily ihn ansah und dann den Blick wieder auf ihre Stickerei senkte.
»Ich fragte, ob die technischen Berichte über die Brooklyn-Linie schon eingetroffen sind.«
»Noch nicht. Ich erwarte sie morgen.«
Wieder trat Schweigen ein. James unternahm noch einen weiteren Versuch mit dem Golfschläger. Edmund warf einen Golfball in die Luft. Emily zog die Nadel durch
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