Die Teerose
Haben Sie keinen Liebsten?«
»Doch.«
»Warum heiraten Sie ihn nicht?«
Sie blickte Fiona in die Augen. Es war, als könnte sie in ihr Innerstes sehen.
»Das geht nicht. Er hat eine andere geheiratet«, fügte sie schnell hinzu, beschämt, einer Fremden dies einzugestehen. Noch dazu einer verbitterten alten Frau. »Tut mir leid, daß ich Sie gestört habe, Miss Nicholson. Guten Tag.«
»Guten Tag«, antwortete die alte Frau mit einem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht.
»Was für eine naseweise Person!« schäumte Fiona, als sie den Gehsteig entlangging. »Sich in meine privaten Angelegenheiten einzumischen. Mich über Will auszufragen und warum ich ihn nicht geheiratet habe. Das geht sie einen feuchten Dreck an …«
Dann blieb sie plötzlich abrupt stehen und stellte fest, daß sie nicht an Will gedacht hatte, als sie Miss Nicholsons Frage beantwortete, sondern an Joe.
46
D as einzige Fenster in Kevin Burdicks Büro war mit Ruß verschmiert, die Wände waren früher vielleicht einmal weiß gewesen, aber inzwischen von Zigarettenrauch vergilbt. Es war ein ruhiger, heißer Sommertag, und die Luft im Raum stank nach Bratfett und Schweiß.
»Ich möchte, daß Sie ihr Geld anbieten, Mr. Burdick«, sagte William McClane junior. »Fünftausend … zehn … egal was es kostet. Aber bringen Sie sie dazu, meinen Vater fallenzulassen.«
Burdick, ein Privatdetektiv, schüttelte den Kopf. »Kein guter Plan. Was, wenn sie nicht anbeißt und statt dessen direkt zu Ihrem Vater läuft? Er wird nicht lange brauchen, um herauszufinden, wer hinter der Sache steckt.«
»Haben Sie eine bessere Idee?«
»Die habe ich«, antwortete er. Sein Stuhl knarzte laut, als er sich zurücklehnte. »Besser wäre es, wenn ich gegen diese … Miss Finnegan etwas in der Hand hätte. Irgendwas Kompromittierendes. Damit gehen Sie unter dem Vorwand der Besorgnis zu Ihrem Vater. Dann beendet er die Sache, ist dankbar, daß Sie ihn informiert haben, und niemand erfährt von Ihrer tatsächlichen Verwicklung in das Ganze.«
Will junior lächelte. Der Mann hatte recht, sein Vorschlag war viel sicherer als der Versuch, dem Mädchen Geld anzubieten.
Burdick verschränkte die Hände hinterm Kopf und entblößte große Schweißflecken unter den Armen. »Dafür brauche ich natürlich etwas Zeit. Und die Hälfte meines Honorars im voraus.«
»Das ist kein Problem«, antwortete Will junior und griff in seine Brusttasche. Während er seine Brieftasche herauszog, sah er eine Fliege über Burdicks Lunch kriechen – ein übelriechendes Corned-beef-Sandwich mit welken Salatblättern. Ihm drehte sich fast der Magen um.
»Wie läuft die Sache mit dem U-Bahnbau?«
»Der Bürgermeister hat noch nicht entschieden. Unser Plan ist eindeutig der bessere, aber haben Sie schon mal gehört, daß die Stadtväter die bessere Wahl treffen? Man kann nur raten, wie es ausgeht.« Er schob das Geld über den Schreibtisch. Burdick zählte es nach und steckte es ein.
»Glauben Sie wirklich, daß die Beziehung Ihres Vater zu dieser Frau Ihre Chancen verringert?«
Will junior schnaubte. »Natürlich nicht. Das sag ich ihm bloß.«
»Warum machen Sie ihm dann sein Techtelmechtel kaputt? Warum interessiert es Sie, mit wem er ins Bett geht? Irgendwann gibt er sie sowieso auf, oder? Sie stammt doch nicht aus seinen Kreisen, und er wird sie ohnehin nicht heiraten.«
»Das ist ja das Problem, Mr. Burdick. Vielleicht eben doch. Ganz offensichtlich hat er den Verstand verloren.«
Burdick nickte. »Ich verstehe. Sie wollen keine Stiefgeschwister.«
»Genau. Sie ist jung und wird Kinder kriegen. Möglicherweise eine ganze Menge. Sie ist schließlich Irin. Und sie wird meinen Vater überleben, und er hinterläßt ihr und ihren Bälgern sein ganzes Geld, und ich seh keinen Penny. Das darf auf keinen Fall passieren. Kongreßabgeordnete machen nicht soviel Geld wie Industrielle.«
Will junior hatte jetzt schon hohe Ausgaben – das Haus in Hyde Park, das Apartment in der Stadt, das Personal, die größer werdende Familie, Isabelles unstillbares Verlangen nach neuen Kleidern, sein eigenes Verlangen nach hübschen Schauspielerinnen. Und alles würde nur noch schlimmer werden.
»Ich brauche das Vermögen meines Vaters, um ins Weiße Haus zu kommen, Mr. Burdick. Ich werde nicht zusehen, wie ein geldgieriges Flittchen die Hand darauf legt«, sagte er und stand auf, um zu gehen.
»Das wird sie nicht«, versicherte ihm Burdick.
»Ich hoffe, Sie behalten recht.«
Burdick
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