Die Teerose
rülpste. »Vertrauen Sie mir.«
Fiona war so aufgeregt, daß sie gleichsam über den Gehsteig tanzte.
»Komm! Beeil dich doch!« drängte sie ihren Onkel und zog ihn am Arm. »Nick, Alec, ihr schiebt von hinten, und ich zieh von vorn. Vielleicht kommt er dann in Gang.«
»Laßt mich! Ich geh schon so schnell ich kann«, sagte Michael und schüttelte seine Nichte ab. »Du führst dich ja auf wie eine Verrückte.«
»Ich werde es ›Tea Rose‹ nennen, nach den Teerosen. Wart nur, bis du sie gesehen hast! Jetzt vergiß nicht, was ich dir gesagt hab, Onkel Michael. Du brauchst ein bißchen Phantasie …«
»Mein Gott, ich hab schon verstanden! Beruhig dich, Fiona!«
Aber sie konnte sich nicht beruhigen. Vor zwei Tagen war Raymond Guilfoyle, Esperanza Nicholsons Anwalt, in den Laden getreten und hatte ihr Leben verändert. Ihr Herz begann zu rasen bei seinem Anblick, weil sie hoffte, er komme, um ihr zu sagen, daß sie das Haus mieten könne. Statt dessen erklärte er ihr, daß seine Klientin das Haus verkaufen wolle. Für zweitausend Dollar, einen Bruchteil seines wirklichen Werts.
»Wie bitte?« fragte sie.
»Ich bin genauso überrascht wie Sie, Miss Finnegan. Und ich gestehe, daß ich ihr dringend davon abgeraten habe. Das Haus ist zehnmal soviel wert, selbst im jetzigen Zustand, aber Miss Nicholson wollte weder auf mich noch auf jemand anderen hören.«
Er übergab ihr einen Vertrag zur Unterschrift und riet ihr, ihn von einem Anwalt prüfen zu lassen.
Sofort war Fiona zur First-Merchants-Bank gegangen, um ein Darlehen aufzunehmen, das den Kaufpreis und die Renovierungsarbeiten abdecken würde, aber Franklin Ellis erklärte ihr, daß er ihr dies nicht geben könne. »Es ist absolut unüblich, einer ledigen Frau eine so hohe Summe zu gewähren, Miss Finnegan«, sagte er und fügte hinzu, falls ihr Onkel bereit wäre, zu bürgen und seinen Laden als Sicherheit zu geben, würde er es sich noch einmal überlegen.
Fiona bebte vor Zorn. Sie hatte es diesem Mann doch bewiesen. Sie hatte den Laden ihres Onkels gerettet, verdiente mehr, als er es je getan hatte, und war dabei, einen eigenen Teehandel aufzubauen. Wozu brauchte er die Unterschrift eines anderen? Einen Moment lang war sie versucht gewesen, sich an Will zu wenden, aber er war auf Geschäftsreise, und wahrscheinlich hatte Ellis genau dies von ihr erwartet. Sie hatte Ellis’ Stolz verletzt, als Will ihn damals ihretwegen übergangen hatte. Jetzt hatte er die Chance, ihren Stolz zu verletzen. Aber das ließe sie nicht zu. Sie konnte sich selbst behaupten. Michael würde für das Darlehen bürgen. Sie mußte ihm bloß zuvor das Haus zeigen.
Schließlich bogen sie um die Ecke, und das Haus kam in Sicht. Irving Place Nummer zweiunddreißig.
»Da ist es!« sagte Nick begeistert. »Das große. Gleich auf der anderen Straßenseite.«
Michael starrte hinüber. »Du lieber Himmel«, sagte er schließlich. » Das ist es?« Er klang entsetzt, was Fiona, die absolut verliebt war in das Haus, nicht bemerkte.
»Ist es nicht wundervoll?« fragte sie. »Laß uns reingehen. Sei vorsichtig, Alec, du könntest stolpern.«
»Es sieht aus, als hätte jemand eine Bombe reingeschmissen«, brummte Michael, als er in die Diele trat. »Ich dachte, für zweitausend ein Haus am Gramercy Park zu kriegen, wär ein Schnäppchen, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob Miss Nicholson nicht das bessere Geschäft gemacht hat.«
Mürrisch inspizierte er die Räume. Alec ging in den Hof, um die Rosen anzusehen, Nick nach oben, um seine Zimmer auszumessen.
»Wem willst du hier Tee servieren, Mädchen?« fragte Michael und wischte den Staub von einem Sims. »Den Toten? Sie wären die einzigen, die das Dekor zu schätzen wüßten.«
Fiona funkelte ihn wütend an. »Du hast einfach kein bißchen Phantasie. Stell dir die Wände in einem zarten Cremeton vor, dazu weiche Polstermöbel und Tische, gedeckt mit Porzellan und Silber.«
Michael wirkte immer noch skeptisch.
»Na komm«, sagte sie und führte ihn in den Garten, wo Alec die Rosen begutachtete. »Stell dir vor, du kommst im Juni in den voll blühenden Garten, auf den Tischen liegen weiße Spitzentischtücher mit schönem Geschirr und köstlichen Törtchen darauf, und hübsche Damen mit Sommerhüten …«
Michael sah auf die Rosen, aber auch auf die bröckelnden Ziegelmauern, die verrostete Sonnenuhr und das wuchernde Unkraut auf den Wegen. »Wer soll das alles herrichten?« fragte er.
»Alec. Mit zwei oder drei
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