Die Teerose
schönen, mit Blumen drauf!«
»Das stimmt, Schatz. Möchtest du ihn sehen?« Alle nickten. »Er steht in der Speisekammer. Schaut mal rein.« Sie gingen los. »Und, Robbie …«
»Ja, Onkel Joe?« sagte der Älteste und drehte sich um.
»Laß diese Gabel hier.«
Robbie marschierte zurück und lieferte die Gabel ab, die er in seine hintere Hosentasche gesteckt hatte, dann rannte er kichernd davon.
»Der Schlingel«, sagte sein Großvater. »Ißt du denn gar nichts?«
»Doch, Großvater. Aber zuvor muß ich noch was erledigen. Bin gleich wieder zurück.«
Joe ging zu Jimmy und Meg hinüber und fragte, ob alles in Ordnung sei.
»Joe, mein Lieber, alles ist herrlich!« antwortete Meg und nahm seine Hand. »Danke dir!« Sie war eine sommersprossige Rothaaarige und hatte ein hochgeschlossenes cremefarbenes Organdykleid gewählt. Jimmy hatte ihr zur Hochzeit ein Paar Perlenohrringe geschenkt, und ihre Mutter hatte ihren Knoten im Nacken mit weißen Rosen geschmückt. Joe war schon immer der Meinung gewesen, daß sie ein hübsches Mädchen sei, aber als sie nun mit leuchtenden Wangen und strahlendem Blick ihren frisch angetrauten Ehemann ansah, war sie schön.
»Ich bin froh, daß es euch gefällt. Darf ich dir deinen Mann kurz entführen? Nur einen Moment?«
Meg willigte ein, und Jimmy folgte Joe zum Haus.
»Was gibt’s denn?« fragte er.
»Ich hab ein Hochzeitsgeschenk für dich.«
»Noch eins? Joe, das ist zuviel …«
»Nein, das ist es nicht. Komm mit.« Er führte seinen Bruder ins Arbeitszimmer, deutete auf eine große flache Schachtel auf dem Schreibtisch und sagte: »Mach auf.«
Jimmy nahm den Deckel ab und schlug ein Stück weichen grünen Flanell zurück. Ein großes rechteckiges Messingschild lag glänzend darunter. Er las die Inschrift: BRISTOWS COVENT-GARDEN-GROSSHANDEL, INHABER: JONATHAN UND JAMES BRISTOW, dann sah er verblüfft zu seinem Bruder auf.
»Mein Gott, Joe …«
Joe schüttelte ihm die Hand. »Partner«, sagte er.
»Das hab ich nie erwartet. Warum tust du das? Es ist dein Geschäft, du hast es angefangen …«
»Und ohne dich wär es nie ein Erfolg geworden. Es ist auch dein Geschäft. Ich wollt’s nur offiziell machen. Die Anwälte erledigen die Papiere. Sollten nächste Woche fertig sein. Mit deinem neuen Gehalt und dem halben Anteil am größten Obst- und Gemüsehandel in London sollte es dir nicht schwerfallen, Meg dieses Haus in Islington zu kaufen, das ihr so gefällt.«
»Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Danke.« Überwältigt umarmte er seinen Bruder und klopfte ihm auf den Rücken. Dann nahm er das Schild und lief aus dem Arbeitszimmer, um seiner Braut von ihrem Glück zu berichten.
Draußen beobachtete Joe die beiden, als Jimmy strahlend die Buchstaben seines Namens nachfuhr, und lächelte wehmütig. Jimmy hatte seine Sache gut gemacht. Er hatte ein Mädchen geheiratet, das er aufrichtig liebte. Bald hätten sie eine Familie. Und mit der neuen Partnerschaft hätte er die Mittel, seine Frau und seine zukünftigen Kinder gut zu versorgen.
Joe selbst war Multimillionär. Selbst nach Überschreibung der Hälfte seines Betriebs an Jimmy gehörten ihm immer noch die Montague-Läden und das lukrative Auslieferungsgeschäft. Doch wenn er seinen Bruder ansah, fühlte er sich wie ein Bettler. Nur Jimmy besaß, was wirklich zählte.
Plötzlich spürte er, wie sich jemand bei ihm einhängte.
»Das war sehr großzügig von dir«, sagte seine Mutter.
»Er hat’s verdient«, antwortete Joe. »Das hätte ich schon lange tun sollen.«
Rose trug ein braunes Seidenkleid, das er ihr geschenkt hatte, und einen Paisleyschal. Obwohl sie inzwischen älter und grauer geworden war, fand er sie immer noch hübsch. Vor Jahren hatte er darauf bestanden, daß sein Vater aus dem feuchten, zugigen Haus in der Montague Street in eines der hübschen neuen Reihenhäuser in Finsbury zog. Dort blieben sie eine Woche, dann bekamen sie Heimweh nach Whitechapel und nach ihren Freunden und zogen wieder in ihre alte Heimat zurück. Joe gab sich zufrieden damit, kaufte das Haus und ließ es renovieren. Obwohl er ihnen eine große Geldsumme überschrieben hatte, verkauften sein Vater und seine Mutter außer am Montag noch jeden Tag Gemüse auf dem Markt. Der einzige Luxus, den sie sich leisteten, war ein neuer Wagen und regelmäßige Besuche in der Music Hall.
Rose folgte Joes Blick auf Jimmy und Meg. »Du denkst an sie, nicht wahr?«
»An wen?«
Rose sah ihn an. »Es ist jetzt zehn
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