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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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kaum schicken, oder? Laß mich los, Harry. Ich muß einpacken…« Sie kicherte und versuchte, sich seinem Griff zu entwinden.
    »Nur wenn du versprichst, bald wiederzukommen. Bald. Versprich das, Millie.«
    »Also gut, aber nur, wenn Joe auch damit einverstanden ist.«
    »Natürlich bin ich einverstanden, Millie«, sagte Joe errötend. »Es war nett, dich hier zu haben.« Und das meinte er auch so, denn in Millies Gesellschaft war der Nachmittag wie im Nu verflogen.
    Sie lächelte ihn an und fuhr mit dem Einpacken fort. Harry und Joe halfen ihr. »Das nehm ich nicht wieder mit heim«, sagte sie. »Stellt es einfach auf den Treppenabsatz, da ist es kühl und wird sich halten.«
    »Toll! Wir sind für Tage versorgt«, antwortete Harry.
    »Ich laß auch den anderen Korb hier. Da sind gute Wolldecken drin. Es wird langsam kühl, und Papa denkt nicht dran, wer erfrieren könnte, außer es handelt sich um seine Äpfel und Orangen.«
    Nachdem sie das Picknick weggeräumt und das Tischtuch zusammengefaltet hatten, half Harry Millie ihren Umhang umzulegen, setzte ihr die Kapuze auf und band sie unter ihrem Kinn fest.
    »Paß auf dem Heimweg auf«, sagte er. »Wir bringen dich runter.«
    Harry ging voran, Millie und Joe folgten. Draußen hatte es zu regnen aufgehört, aber es war dunkel und nieselte. Die Gaslaternen flackerten, ihre Flammen spiegelten sich auf den glatten Pflastersteinen wider, und an Millies Kutsche brannten auf beiden Seiten Laternen.
    »Guten Abend, Harris«, sagte Harry zu dem Kutscher.
    »N’Abend, Sir«, antwortete Harris und hob den Finger an den Hut.
    Harry öffnete die Kutschentür. »Leb wohl, verrückte Millie. Ich wünschte, du müßtest nicht fort.«
    »Ich komm wieder. An einem schöneren Tag. Dann gehen wir alle zum Teetrinken oder machen einen Spaziergang im Park.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Harry einen Kuß auf die Wange, dann drehte sie sich zu Joe um und gab ihm ebenfalls einen schnellen Kuß. Wieder roch er ihr Parfüm, als sie sich an ihn lehnte. Er spürte, wie ihre Lippen über seine Wange strichen und ihre Hand, die seinen Arm drückte. Dann half ihr Harry in die Kutsche, klopfte an die Seite, und sie war fort.
    Harry und Joe sahen der Kutsche ein paar Minuten nach, bis sie außer Sichtweite war, dann gingen sie wieder ins Haus zurück. Ihr Zimmer wirkte jetzt grau und leer.
    »Sie ist schon was Besonderes, nicht wahr?«
    »O ja«, sagte Joe. »Das stimmt. Das Zimmer kommt einem leer vor ohne sie.«
    »Sie ist ein tolles Mädchen«, fuhr Harry fort und setzte sich vors Feuer. »Ich schwör dir, wer sie einmal kriegt, hat das große Los gezogen. Ein hübsches Gesicht, ein reicher Vater und obendrein noch ein Paar herrliche Titten.«
    »Das ist mir nicht aufgefallen«, antwortete Joe. Er nahm den Kohlenkübel und legte nach.
    Harry grinste höhnisch. »Natürlich nicht.« Er streckte die Beine aus, klopfte sich auf den Bauch und seufzte zufrieden. »Ein Mann könnte es schlechter treffen, als Millie zur Ehefrau zu kriegen. Wenn sie nicht meine Cousine wäre, würde ich sie selbst heiraten.«
    Plötzlich wurde es Joe unbehaglich, denn Harrys Tonfall war ernst geworden. »Vielleicht solltest du das tatsächlich tun, mein Alter. Eine andere nimmt dich ohnehin nicht.«
    Harry zog eine Grimasse. »Leider täuschst du dich da. Da gibt’s nämlich die schreckliche Caroline Thornton.«
    »Wen?« Joe schloß die Ofentür und setzte sich auf die andere Seite des Ofens.
    »Das Mädchen, das meine liebe Mutter für mich ausgesucht hat. In Brighton. Sie hat Knopfaugen, ist flachbrüstig und hat Zähne wie ein Drahtverhau, ist aber stinkreich. Und bis über beide Ohren verliebt in mich.«
    Joe lachte. »Scheint ja ein wahrer Engel zu sein.«
    Harry schnaubte. »Eher ein Teufel. Aber sie wird mich nicht in ihre Klauen kriegen. Nein, Sir. Ich sag dir was, Joe, ich geh zur Auslandsarmee. Schwör, daß du meinem Onkel nichts verrätst …«
    »Das hab ich schon geschworen.«
    »Schwör’s noch mal.«
    »Ich schwöre«, sagte Joe und verdrehte die Augen.
    »Noch vor Jahresende bin ich fort. Fort von London, von Brighton und Miss Caroline Thornton. Und von den Äpfeln und Orangen. Mir liegt das Geschäft nicht. Es ist mir schnurzegal, und das wird auch immer so bleiben.«
    »Vielleicht solltest du doch mit deinem Onkel reden«, schlug Joe vor. »Möglicherweise versteht er dich.«
    »Nie. Onkel Tommy würde mich umbringen, wenn er’s herausfände, aber dazu wird er keine Gelegenheit

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