Die Teerose
marineblau-weiß gestreifte Jacke mit Schößchen, die sie am Tag ihrer Hochzeit getragen hatte. Jetzt war sie ihr zu klein – nach vier Kindern war sie fülliger geworden –, aber Fiona paßte sie wie angegossen und unterstrich ihre schlanke Figur. Von ihrer Freundin Bridget hatte sich Fiona eine kleine Emaille-Brosche geborgt, und Onkel Roddys Freundin Grace hatte ihr eine hübsche bestickte Tasche geliehen.
Von ihrem Vater und Onkel Roddy stammte das Tüpfelchen auf dem i: ein marineblauer, breitrandiger Hut mit zwei roten Stoffrosen. Am Freitag abend war sie spät von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte ihn vor ihrem Platz auf dem Tisch gefunden. Ihr Pa hielt das Gesicht hinter der Zeitung versteckt, und ihr Onkel Roddy schenkte sich ein Glas Bier ein. Charlie und Seamie saßen ebenfalls am Tisch, Kate stand am Herd. Mit aufgerissenen Augen sah Fiona von dem Hut zu ihrer Mutter.
»Von deinem Vater«, sagte ihre Mutter. »Und von Onkel Roddy.«
Sie setzte den Hut auf. Er war gebraucht, und auf der Seite, wo der Putz fehlte, war der Samt ein bißchen durchgescheuert, aber nicht so schlimm, daß die Rosen den Makel nicht verborgen hätten. Sie wußte, daß ihre Mutter sie ausgesucht und daß ihr Vater und Roddy sie bezahlt hatten. Sie versuchte, sich zu bedanken, aber die Kehle war ihr wie zugeschnürt, und Tränen glänzten in ihren Augen.
»Gefallen sie dir, Mädchen?« fragte Roddy besorgt.
»O ja, Onkel Roddy!« antwortete sie, als sie schließlich wieder sprechen konnte. »Sie sind wundervoll! Vielen, vielen Dank. Danke, Pa!«
Roddy lächelte: »Ich hab die Blumen selbst gepflückt«, sagte er.
Paddy schnaubte.
Fiona umarmte Roddy, dann zwängte sie sich zwischen die Zeitung und ihren Vater und umarmte ihn ebenfalls. »Das hättest du nicht tun sollen, Pa. Danke.«
»Ist doch nur ’ne Kleinigkeit«, brummte er. »Du sollst Spaß haben morgen. Und sag Bristow, er soll auf dich aufpassen, sonst kriegt er’s mit mir zu tun.«
Noch immer den Hut in der Hand haltend, strich Fiona über den weichen, samtigen Rand. Gerade als sie dachte, sie würde losheulen, zog Charlie ein Paar marineblaue Ziegenlederhandschuhe heraus, und sie konnte nicht mehr an sich halten.
»Ach, sei nicht albern«, sagte er verlegen. »Die sind nichts Besonderes. Hab sie aus zweiter Hand gekauft. Ich wollt einfach nicht, daß du wie eine Stadtstreicherin aussiehst.«
Später am Abend badete Fiona, und Kate wusch ihr das Haar. Dann bügelte sie ihren Rock, ihre Bluse und ihre Jacke, während ihre Mutter die Rosen an den Hut nähte. Sie dachte, sie würde kein Auge zutun, schlief aber doch und war früh auf den Beinen. Sie wusch sich das Gesicht, kämmte sich das Haar und steckte es mit Hilfe ihrer Mutter auf. Dann zog sie sich an, probierte den Hut auf, nahm ihn wieder ab und probierte ihn noch einmal auf, während ihre Mutter ständig protestierte, daß sie ihre Frisur zerstören würde, wenn sie nicht damit aufhörte. Schließlich war sie fertig.
»Ach, sieh sie dir an, Paddy«, sagte Kate gerührt, als sie ihr die geborgte Brosche ans Revers steckte. »Unsere Älteste ist ganz erwachsen. Und genauso hübsch wie eine Frühlingsrose.«
Charlie saß am Tisch, schlang sein Frühstück hinunter und verschluckte sich. Paddy knöpfte sein Arbeitshemd zu und sah seine Tochter lächelnd an. »Ja, sie ist ein hübsches Mädchen. Ganz die Mutter.«
Fiona warf noch einen schnellen Blick in den kleinen Spiegel über dem Kaminsims und war tief zufrieden. Ihre Mutter hatte ihr Haar schön frisiert, und die Jacke sah frisch und elegant aus.
Sie hatte nicht lange Zeit, um sich zu bewundern, denn es klopfte an der Tür, und sie lief durch die Diele, um Joe zu öffnen. Er machte Augen, als er sie sah, und wollte nicht aufhören, sie zu küssen. »Du siehst umwerfend aus«, flüsterte er. »Hübscher denn je.« Fiona war überglücklich, ihn zu sehen, denn seit seinem Fortgehen waren Wochen vergangen. Er sah verändert aus – sein Haar war länger, und er hatte abgenommen. Sie konnte es nicht erwarten, ihn für sich allein zu haben, aber zuerst mußte er sich mit ihren Eltern unterhalten. Er kam in die Küche, trank eine Tasse Tee und erzählte von seinem neuen Job.
Als ihr Vater anfing, über die Vorteile der Gewerkschaft zu predigen, entschied Fiona, daß es an der Zeit war zu gehen. Sie machten sich in Richtung Commercial Street auf, wo sie den Bus in die City nehmen wollten. Aber zuerst machte Joe einen kleinen Umweg. Am Ende der
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