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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Kirchenglocken, den Zeitungsjungen noch den Muffinverkäufer gehört, der unter ihrem Fenster seine Waren anbot.
    Joe trocknete sich das Gesicht ab. Sein Magen knurrte. Er fragte sich, ob Harry trotz des schlechten Wetters bereit war, Essen zu besorgen. Gerade als er ihn fragen wollte, hörte er ein lautes Klopfen an der unteren Tür. Er streifte sein Hemd über, zog die Hosenträger hoch und trat aus dem Badezimmer. Harry saß in seinem Sessel und blinzelte.
    »Wer ist das?« fragte ihn Joe.
    »Keine Ahnung«, antwortete er gähnend. »Sieh doch nach, du bist am nächsten dran.«
    Joe öffnete die Tür zum Treppenhaus und lief die Stufen hinab. »Harry, laß mich rein, ich bin schon halb ertrunken!« rief eine Frau. Er riß die Tür auf und stand einer bis auf die Haut durchnäßten Millie Petersen gegenüber. »Joe, mein Lieber!« rief sie aus und reichte ihm einen Weidenkorb. »Nimm das bitte. Da ist noch mehr. Harris wird dir helfen.« Lächelnd rauschte sie an ihm vorbei und lief die Treppe hinauf. Joe und der Kutscher holten den zweiten Korb aus dem Wagen. Er dankte dem Mann und schleppte die beiden Körbe die Treppe hinauf.
    »Du verrücktes Huhn!« hörte er Harry rufen. »Du kommst uns besuchen!«
    »Richtig. Ich wollte dich überraschen, Harry, und hab ein Picknick mitgebracht. Eigentlich hab ich gehofft, wir könnten in den Park gehen, aber jetzt müssen wir’s eben drinnen veranstalten.«
    Schnaufend stellte Joe Millies Körbe ab, schloß die Tür zum Teppenhaus und lachte, als Harry sie begeistert in die Höhe hob und herumschwang.
    »Harry, laß mich runter! Du erdrückst mich ja!«
    Doch er wirbelte sie herum, bis sie zu kreischen begann und bat, damit aufzuhören. Als er sie schließlich wieder auf den Boden ließ, war ihnen so schwindelig, daß sie beide taumelten und in Lachen ausbrachen.
    »Huch, Harry Eaton, du kannst was erleben, sobald ich wieder gerade stehen kann.«
    »Warum? Es hat dir doch immer gefallen, wenn ich dich rumgewirbelt habe.«
    »Damals war ich fünf, du Dummkopf!«
    »Schön, dich zu sehen, Millie«, sagte Harry und blickte sie voll aufrichtiger Zuneigung an. »Hier ist es immer so langweilig, nur mit uns beiden. Du bist ein Sonnenstrahl an diesem trübseligen Ort.«
    »Langweilig? Trübselig? Vielen Dank, Kumpel«, sagte Joe.
    »Tut mir leid, Junge, du bist ein großartiger Zimmergenosse, aber meine Cousine ist weitaus hübscher.«
    Millie war tatsächlich wie ein Sonnenstrahl im Raum. Sie hatte ihren nassen Umhang abgelegt und trug einen gelben Karorock mit einer Jacke, die am Kragen und an den Manschetten mit elfenbeinfarbener Spitze besetzt war. Die leuchtende Farbe brachte vorteilhaft ihre haselnußfarbenen Augen und das honigblonde Haar zur Geltung. Kleine Topasohrringe hingen an ihren Ohrläppchen, und um ihr Handgelenk trug sie ein dazu passendes geschmackvolles Armband. Ihr Haar war zu einem dicken Knoten gebunden, der mit Schildpattkämmen festgehalten wurde. Sie sah umwerfend aus, daran bestand kein Zweifel. Weil er dachte, daß Millie und Harry gemeinsam essen wollten, beschloß er, sich aus dem Staub zu machen. Er ging zu seinem Schrank, um seine Jacke zu holen.
    »Wo gehst du hin?« fragte Millie, von ihrem Korb aufsehend.
    »Ich mach einen Spaziergang.«
    »An einem solchen Tag? Im Regen? Das tust du nicht. Da holst du dir den Tod. Blieb hier und iß mit uns. Ich hab gehofft … gedacht, daß du wahrscheinlich hier bist, und hab deshalb ganze Wagenladungen Essen mitgebracht. Du wirst mich doch nicht enttäuschen, nachdem ich den weiten Weg gemacht habe, oder?« Sie wandte sich an ihren Cousin. »Harry, sag, daß er bleiben soll.«
    »Ich fürchte, du mußt, Alter. Millie hat ihre Wünsche klar geäußert, und wir beide werden keine Ruhe haben, wenn du dich widersetzt.«
    Joe begriff, daß es unhöflich wäre, wegzugehen. Millie hatte angefangen, alle möglichen Dinge auszupacken, und er hatte tatsächlich großen Hunger. »Na ja, wenn ihr glaubt, daß ich nicht störe …«
    »Überhaupt nicht«, antwortete sie. »Hier, nimm das Tuch und breit es vor dem Ofen aus. Harry, kannst du noch ein bißchen nachlegen?«
    Unter Anleitung von Millie hatten Joe und Harry schnell das Essen angerichtet. Harry schüttete Kohle in den Ofen und stocherte das Feuer auf, bis es hell brannte. Er ließ die Ofentür offen, damit das Zimmer wärmer wurde. Joe breitete ein Tischtuch über den Teppich und öffnete eine Flasche Ingwerbier. Millie stellte all die Köstlichkeiten auf das

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