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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Montague Street zog er sie in eine Gasse und küßte sie lange und inbrünstig. »Verdammt, aber ich hab dich vermißt«, sagte er, trat zurück und sah sie eine Weile an. Und bevor sie ihm sagen konnte, daß sie ihn auch vermißt hatte, zog er sie an sich und küßte sie erneut. Schließlich nahm er ihre Hand und sagte: »Komm weiter, hör auf, mich so zu quälen. Wir müssen den Bus erwischen.«
    Auf dem Weg zur Bushaltestelle erzählte er ihr mehr von Covent Garden, über die Köche aus dem Claridge’s, dem Café Royal und den St.-James-Herrenclubs, die über alles die Nase rümpften, über die Träger, die ihre Körbe auf dem Kopf transportierten, und die lauten und unflätigen Händlerinnen, die ihren Lebensunterhalt mit dem Schälen von Walnüssen und Erbsen verdienten. Dann kam der von Pferden gezogene Bus. Joe half Fiona hinauf, bezahlte den Fahrpreis, und sie stiegen aufs Oberdeck. Es war ein schöner Septembertag, nicht zu kühl, und von dort oben aus konnten sie ganz London sehen.
    Fiona, die noch nie in einem Bus gesessen hatte, war außer sich vor Aufregung. »Bist du sicher, daß es nicht zu teuer ist?« flüsterte sie besorgt. »Bist du sicher, daß du dir das leisten kannst?« Joe beruhigte sie. Der Bus brachte sie in die City, in das Geschäftszentrum Londons, und er deutete auf die Kontore von verschiedenen Handelsfirmen. Fasziniert von dem vielen Neuen, was sie sah, umklammerte sie seine Hand. Ein Gebäude, größer als die umstehenden, fesselte ihre Aufmerksamkeit. »Das ist Burton’s«, sagte er. »Die Renovierung hat Unsummen gekostet, wurde mir gesagt. Ich glaub nicht, daß dein Vater damit rechnen kann, daß die Gewerkschaft in nächster Zeit viel aus dem Kerl rausholt.«
    Jetzt gingen sie die Brompton Road hinunter, und Fiona konnte den Blick nicht abwenden von Joe. Er redete wieder über Peterson’s, blieb aber plötzlich stehen, als er bemerkte, daß sie ihn lächelnd ansah und offensichtlich überhaupt nicht hörte, was er sagte.
    »Was?«
    »Nichts.«
    »Sag’s mir.«
    »Ich seh dich eben gern an, das ist alles. Und jetzt bist du da – der gleiche, aber anders, und erzählst begeistert von neuen Dingen und neuen Leuten.«
    »Ach, laß das. Du machst mich verlegen. Wenn ich begeistert bin, dann unseretwegen. Wegen unserem Laden. Ich lern so viel, Fee, so viel mehr, als ich gelernt hätte, wenn ich bei meinem Vater geblieben wär, und ich verdien auch gutes Geld. Du erinnerst dich doch noch an unsere Kakaodose?«
    »Ja. Ich hab Geld dafür.«
    »Warte, bis du siehst, wieviel schon drin ist.«
    »Wieviel?«
    »Du wirst schon sehen.«
    »Sag’s mir!«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich schließlich einen Vorwand brauch, dich in mein Zimmer zu locken«, sagte er verlegen lächelnd. »Irgendeine Möglichkeit, dich in meinen Bau zu kriegen.«
    »Also kann ich deinen Zimmergenossen kennenlernen? Harry?« fragte Fiona, ihn bewußt mißverstehend.
    »Er ist den ganzen Tag weg.«
    »Wirklich. So ein Zufall.«
    »Ja, wirklich.«
    »Warum soll ich dann in dein Zimmer mitkommen?« fragte sie mit gespielter Naivität und versuchte, nicht zu kichern.
    »Weil es saubergemacht werden muß und ich mir keine Putzfrau leisten kann.«
    »Du Armer!«
    Fiona und Joe blieben am Hyde Park stehen, um die vornehmen Leute beim Ausritt zu beobachten. Als sie Knightsbridge hinter sich gelassen hatten, warfen sie einen schnellen Blick auf den Buckingham-Palast – Fiona wollte sehen, wo die Königin wohnte –, dann gingen sie zum Picadilly hinauf in Richtung Bond Street.
    Sie sahen in die Schaufenster von Garrad’s, dem Juwelier der königlichen Familie, von Mappin & Webb, dem Silber- und Goldschmied, und von Liberty’s, wo alle schicken Leute einkauften. Sie gingen an Stoffläden mit Ballen voller Seide, Damast und Samt vorbei und an Schuhläden mit Stiefeln aus weichstem Ziegenleder. Fiona staunte über die Farben – rot, rosa, blaßblau. Sie kannte nur braune und schwarze Stiefel. Es gab Auslagen voller Spitze und Putzwerk, seidene Blumen für Hüte, Taschentücher, Spitzenhandschuhe und perlenbestickte Taschen. Es gab Läden für Seife und Parfüm, Buchläden, Floristen mit Gewächshausblumen und Läden, die Kuchen, Plätzchen und Bonbons in aufwendig gestalteten Schachteln verkauften.
    Fiona suchte nach etwas, das sie ihrer Familie mitbringen konnte, hatte aber nur einen Shilling zum Ausgeben. Sie hätte gern ein Spitzentaschentuch für ihre Ma gekauft, aber dann bliebe nichts mehr übrig, um ihrem

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