Die Teerose
wegen des Mordes an meinem Vater dranzukriegen, aber wir werden ihn glauben lassen, daß wir’s können.«
»Ich verstehe nicht … Was hast du vor?«
»Eine Menge. Komm, ich erklär’s dir unterwegs.«
Roddy blieb vor der Tür des Clarion stehen, drehte sich um und sagte: »Weißt du, es könnte funktionieren.«
»Das sollte es auch, Onkel Roddy.«
»Bist du bereit?«
»Ja.«
»Also dann. Laß uns reingehen.«
Er öffnete die Tür, und sie betraten einen langen, lärmerfüllten Raum mit Druckerpressen. Es stank intensiv nach Öl und Tinte.
»Komm«, sagte er und führte sie zu einer Treppe. »Die Redaktionsräume sind oben.«
Er kannte das Gebäude, hatte es schon oft besucht. Der Clarion war zwar nicht die Times, aber ein furchtloses, streitbares Blatt mit großer Auflage. Es brachte Lokalnachrichten, die oft von der Times und anderen führenden Zeitungen aufgegriffen wurden. Es würde ihren Zwecken gute Dienste leisten.
Fiona hatte ihm ihren Plan erklärt. Er war brillant, aber ob er funktionierte, hing ganz von Devlin ab. Er war im großen und ganzen ein verläßlicher Bursche, allerdings mit einem Zug zur Sturheit. Nur für den Fall, daß er heute nicht ganz bei Laune sein sollte, hatte Roddy im Revier haltgemacht, um ihm etwas mitzubringen. Ein kleines Geschenk. Schmieröl fürs Getriebe.
In der Redaktion hing dicker Rauch in der Luft, vermischt mit dem Geruch von ungegessenem Frühstück. Etwa ein Dutzend Reporter saßen über Schreibtische gebeugt und tippten, während in der Mitte des Raums ein Mann stand und einen jungen Reporter anbrüllte, ihm Einzelheiten der vergangenen Nacht zu liefern.
Der Reporter, ein Bursche von höchstens achtzehn Jahren, machte sich mit gesenktem Kopf und glühenden Wangen davon. Devlin sah ihm nach, schüttelte den Kopf, dann sah er Roddy.
»Sergeant! Welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen?«
»Muß mit Ihnen sprechen, Bobby. Privat.«
Devlin nickte und führte sie in sein Büro. Roddy stellte Fiona vor, und bevor Devlin Fragen stellen konnte, sagte er: »Ich hab eine Story für Sie. Eine gute. Aber sie muß auf die Titelseite der heutigen Abendausgabe.«
Devlin sah ihn verwirrt an. »Das ist mal was anderes«, antwortete er. »Normalerweise laß ich die guten Geschichten draußen. Und mach dennoch gute Auflage. Worum geht’s?«
Roddy erzählte ihm, daß ein Gewerkschaftsführer namens Patrick Finnegan vor zehn Jahren, kurz vor dem Streik der Dockarbeiter, ermordet worden war und daß Bowler Sheehan die Tat gestanden hatte. Der zweite Tatverdächtige sei William Burton – der Teehändler.
Devlin runzelte die Stirn. »Das ist eine interessante Geschichte«, sagte er. »Aber die Anschuldigung läßt sich nicht beweisen. Ich nehm sie auf, wenn es Ihnen hilft, aber nicht auf die Titelseite. Seite vier vielleicht. Die ermordete Hure kommt auf den Titel. Ich hoffe, das genügt Ihnen.«
Roddy hatte eine abweisende Antwort erwartet. »Kommen Sie, Bobby. Ich hab Ihnen schon oft einen Gefallen getan. Ihnen eine Menge Hinweise gegeben. 96 hab ich Ihnen die Morde in der Turner Street geliefert, schon vergessen? Damit haben Sie Karriere gemacht. Und die Blinde-Bettler-Gang. Über die Diebe haben Sie eine ganze Serie geschrieben. Und sind zum Chefredakteur befördert worden.«
Gereizt spielte Devlin mit einem Briefbeschwerer. »Warum ist Ihnen die Geschichte so wichtig?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Noch nicht. Tun Sie’s einfach für mich, Bobby. Sie schulden mir was.«
»Aber das reicht einfach nicht! Es ist vor zehn Jahren passiert. Lauter alte Kamellen. Die Leute wollen frische Morde. Wie die Hure mit der durchschnittenen Kehle. Das ist ein guter Mord!«
Roddy spielte seinen Trumpf aus. »Es waren zwei.«
Devlin erstarrte. »Zwei?«
Roddy nickte. »Die Leiche, die gestern nacht in der Fournier Street gefunden wurde, war die zweite Prostituierte, die innerhalb von vierzehn Tagen gefunden wurde. Beide mit durchschnittener Kehle.«
»Gütiger Gott.«
»Wir wollten keine Panik auslösen, deshalb haben wir’s zurückgehalten. Wenn Sie nichts wußten, haben wir offensichtlich gute Arbeit geleistet.«
»Aber wie …«
»Wir haben gelogen, was den Beruf des ersten Opfers betraf. Wir sagten, sie sei Näherin gewesen. Das stimmte nur zum Teil. Das hat sie allen erzählt. Wir haben die Tat als verpfuschten Überfall ausgegeben.«
»Der Ripper ist wieder am Werk!« sagte Devlin aufgeregt. »Wo wurde die erste gefunden? In der gleichen Gegend? Wie
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