Die Templerin
Dorfälteste und dazu eine sehr kluge, alte Frau.
Abbé drehte sich zu ihnen herum und trat dann zwei Schritte zurück, um den Eintretenden Platz zu machen. Trotzdem herrschte in der Hütte eine fast drückende Enge, als Hark die Tür hinter sich schloß. Das Haus war wirklich nicht sehr groß.
»Gut, daß ihr kommt«, sagte Abbé, bevor einer der anderen das Wort ergreifen konnte. »Ich brauche Wasser. Und ein sauberes Tuch.« Während Robins Mutter eine Holzschale auf den Tisch stellte und zum anderen Ende des Raumes eilte, um Wasser aus dem Eimer zu schöpfen, der dort immer stand, nahm Abbé am Tisch Platz und begann den Ärmel seines Kettenhemdes hochzustreifen. Robin sah jetzt erst, daß Blut durch das feinmaschige Kettengewebe tropfte. Der Verband, den er darunter trug, war naß und schwer geworden.
»Ihr seid verletzt, Herr!« sagte Hark erschrocken.
»So etwas kommt vor, wenn man gezwungen ist zu kämpfen«, antwortete Abbé gleichmütig. Er löste den Verband, und der Stoffstreifen fiel mit einem schweren Klatschen auf den Tisch. Die Stichwunde darunter blutete noch immer, und das erschreckend heftig. Robin warf einen prüfenden Blick in sein Gesicht. Sie fand, daß er jetzt deutlich blasser war als vorhin in der Kapelle. Er mußte eine Menge Blut verloren haben. »Das sieht nicht gut aus«, sagte Gero besorgt. »Ich werde meine Frau rufen. Sie versteht sich auf die Behandlung von Wunden.«
»Bleib«, sagte Abbé rasch. »So schlimm ist es nicht. Ich werde die Wunde reinigen und einen festen Verband anlegen, das muß reichen.« Robins Mutter kam zurück, goß Wasser in die Schale und reichte dem Tempelritter ein sauberes Tuch. Dabei betrachtete sie die Wunde in Abbés Arm stirnrunzelnd. Dann wandte sie sich um, ging zu ihrer Truhe und kam mit einem kleinen Beutel aus Tuch zurück.
»Legt diese Blätter auf die Wunder, Herr«, sagte sie. »Sie lindern den Schmerz, und sie verhindern, daß Ihr Wundbrand bekommt.« Abbé nahm den Beutel zwar entgegen, öffnete ihn aber nicht, sondern wog ihn nachdenklich in der unversehrten Hand. »Was bist du, Weib?« fragte er. »Eine Hexe?«
»Nur eine Frau, die die heilenden Kräfte von Gottes Natur kennt«, sagte Janna, bevor Robins Mutter antworten konnte. Nach einer viel zu langen Pause, um das Wort zu irgend etwas anderem als Spott werden zu lassen, fügte sie hinzu: »Herr.«
In Bruder Abbés Augen blitzte es für einen Moment auf, aber Robin vermochte nicht zu sagen, ob es Zorn oder widerwillige Anerkennung war. Schließlich lächelte er nur, tauchte das Ende des Stoffstreifens, den Robins Mutter ihm gegeben hatte, ins Wasser und begann seine Wunde zu reinigen. Es mußte ziemlich weh tun. Trotzdem zuckte er nicht einmal mit der Wimper.
Hark räusperte sich unbehaglich. »Verzeiht, Hoher Herr«, sagte er. »Ich will nicht drängen, aber was… was ist geschehen? Ihr seid verletzt, und Robin ist voller Blut, und draußen auf Eurem Pferd liegt ein Toter.«
»Und wenn ihr zu der alten Kapelle südlich eures Dorfes geht, dann werdet ihr zwei weitere Tote finden«, sagte Abbé ruhig. »Einen tollwütigen Hund und eine arme Frau, die wohl sein erstes Opfer war.« Hark und Gero tauschten einen erschrockenen Blick, und Bruder Abbé fuhr fort: »Jan und ich waren auf dem Weg zur Komturei. Es war spät geworden, unsere Pferde waren müde, und wir waren hungrig, als wir die Lichter eures Dorfes sahen. Also beschlossen wir, hier einzukehren und euch um ein Nachtlager zu bitten. Auf halbem Wege kamen wir an der alten Kapelle vorbei, und mein Knappe wollte absitzen und ein Gebet sprechen. Aber kaum hatten wir die Kapelle betreten, da wurden wir angegriffen. Ich wurde niedergeschlagen, und Jan…«
Er schwieg einen Moment, und in dieser Zeit traten ein Schmerz und eine Leere in seinen Blick, die beinahe auch Robin überzeugt hätten. Eines war er auf jeden Fall: ein sehr guter Schauspieler.
»Als ich wieder zu mir kam, war Jan bereits tot«, fuhr Bruder Abbé fort. »Er hatte keine Chance, denn er war waffenlos und wohl genauso überrascht wie ich. Dieser Verrückte hätte sicherlich auch mich getötet, hätte er richtig getroffen.« Er hob seinen verwundeten Arm. »So bekam ich die Gelegenheit, mein Schwert zu ziehen. Ich habe ihn erschlagen. Leider zu spät, wie sich herausstellte. Nachdem ich eine Kerze gefunden und angezündet hatte, fand ich eine tote Frau. Sie wurde mit der gleichen Mistgabel erstochen, der auch mein Knappe zum Opfer fiel - und um ein Haar ich
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