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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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selbst.« Er deutete auf Robin. »Dieses Mädchen lag unter einem Baum, nur ein paar Schritte von der Kapelle entfernt. Es war bewußtlos. Auf dem Weg zurück erzählte es mir, daß es gesehen hat, wie dieser Wahnsinnige die Frau mit einer Mistgabel in der Hand verfolgt hat. Sie wollte ihr wohl helfen und hätte um ein Haar selbst mit dem Leben dafür bezahlt.«
    Er brachte es wirklich fertig, Robin ein warmes, fast väterliches Lächeln zu schenken, und nicht nur er, sondern auch alle anderen starrten sie fragend und bestürzt an. Niemand wagte es, etwas zu sagen oder Abbés Geschichte gar durch eine entsprechende Frage in Zweifel zu ziehen, aber sie spürte, daß wohl jeder etwas ganz Bestimmtes von ihr erwartete; Bruder Abbé eingeschlossen.
    Aber sie war gar nicht fähig, sofort zu antworten. Sie konnte den Tempelritter einfach nur fassungslos anstarren. Sie wußte so gut wie nichts über Bruder Abbé, aber immerhin war ihr klar, daß er über einen scharfen Verstand und große Klugheit verfugte. Die Geschichte aber, die er nun erzählte, war so durchsichtig, daß nicht einmal die achtjährige Tochter Geses sie geglaubt hätte. Es dauerte eine Weile, bis ihr klar wurde, daß Abbé keineswegs aus Dummheit so schlecht log. Er machte sich gar nicht die Mühe, sich eine überzeugendere Geschichte einfallen zu lassen. Ja, mehr noch: Sie hatte beinahe das Gefühl, daß der Tempelritter wollte, daß seine Lüge durchschaut wurde. Aber warum?
    »Ich habe Helle schreien gehört«, sagte sie, lahm und erst, als ihr Schweigen bereits drückend zu werden begann. »Ich war im Wald, um Pilze zu sammeln. Helle rannte davon, und dann… habe ich gesehen, daß Olof sie verfolgt hat. Er hat seine Mistgabel geschwenkt und immer wieder geschrien. Ich… ich glaube, er war betrunken. Ich wollte Helle helfen, aber da hat er mich niedergeschlagen. An mehr erinnere ich mich nicht. Ich… hatte Angst.«
    Hark starrte sie verwirrt an. Der Blick ihrer Mutter sprach Bände, aber Abbé sah sie durchdringend an und nickte fast unmerklich. Gut gemacht. Aber bleibe dabei, und vergiß nicht, was ich dir gesagt habe. »Olof«, murmelte Gero. »Großer Gott, wir… wir wußten, daß er gefährlich war, aber keiner von uns hätte … hätte mit so etwas gerechnet.« Hark fiel auf die Knie. Er zitterte vor Nervosität, vielleicht auch vor Angst. »Bitte verzeiht uns, Herr«, sagte er. »Olof war ein schlechter Mann, aber ich bitte Euch, schließt nicht von ihm auf uns alle!«
    »Verzeihen?« Abbé wirkte ehrlich verwirrt. »Aber was denn? Ihr habt nichts getan.«
    »Es war immerhin ein Mann aus unserem Dorf, der Euch angegriffen hat«, sagte Gero nervös.
    »Ein Mann aus eurem Dorf…« Abbé nickte nachdenklich. Dann sah er der Reihe nach erst ihn, dann Hark und etwas länger die alte Janna an. »Das ist wohl wahr… aber sagt: Wie viele Einwohner hat euer Dorf?«
    »Achtund…«, begann Gero, stockte einen Moment und verbesserte sich dann: »Sechsundvierzig, jetzt wo Helle und Olof tot sind.«
    »Sechsundvierzig«, wiederholte Abbé. »Nun, guter Mann, sagt mir eines: Was sollte mir das Recht geben, über sechsundvierzig gute Menschen den Stab zu brechen, nur weil einer von ihnen offenbar vom Teufel besessen war?«
    Robin sah aus den Augenwinkeln, wie Gero heftig zusammenfuhr. Der Tempelritter hatte diese Formulierung nicht durch Zufall gewählt, da war sie sicher. Sie glaubte nicht, daß Bruder Abbé überhaupt irgend etwas zufällig tat oder gar gedankenlos.
    Nachdem Abbé sich durch einen weiteren Blick in die Runde davon überzeugt hatte, daß seine Worte auch die beabsichtigte Wirkung erzielt hatten, fuhr er in etwas versöhnlicherem Ton fort: »Werft ihr einen Korb voller Äpfel weg, nur weil einer von ihnen faul ist? Wohl kaum.« Auf Geros Gesicht begann sich so etwas wie Erleichterung breitzumachen. Trotzdem sagte er: »Aber der Angriff auf einen Tempelritter…« 
    »… ist ein todeswürdiges Verbrechen«, fiel ihm Abbé ins Wort. »Es wurde mit dem Tod des Angreifers gesühnt. Belassen wir es dabei. Wenn ihr Buße tun wollt, so opfert der Jungfrau Maria und betet fünfzig Vaterunser an jedem Tag in den nächsten vier Wochen. Von meiner Seite aus ist der Zwischenfall damit erledigt.«
    Er stand auf und schüttelte mit einer raschen Bewegung den Ärmel seines Kettenhemdes wieder herunter. »Und nun entschuldigt mich bitte - auch ich bin nur ein sterblicher Mensch, der dann und wann auf die Bedürfnisse seines Körpers hören muß.

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