Die Templerin
einen solchen vorbereiteten.
»Was bei allen Heiligen geht dort vor?« murmelte Tobias. »Gunthar wird doch nicht so verrückt sein, und…« Er brach mitten im Wort ab und schüttelte den Kopf. »Nein. Mach dir keine Sorgen, Robin. Wenn ein Angriff bevorstünde, würde Abbé die Komturei nicht verlassen.« Das klang, als sagte er diese Worte nur aus dem einzigen Grund, um sie zu beruhigen. Aber Robin wußte es besser. Es stand kein Angriff bevor. Die schreckliche Gefahr, die sie spürte, lag irgendwo dort draußen. Abbé und die anderen durften den Hof auf gar keinen Fall verlassen! Aber sie hatte keine Möglichkeit, sie zu warnen. Selbst wenn sie hätte sprechen können - die Ritter hätten bestimmt nicht auf sie gehört. Ein erster, noch weit entfernter Blitz zerriß die hereinbrechende Nacht, und eine geraume Weile danach rollte ein gedämpftes Donnern heran. »Ein Gewitter«, murmelte Tobias. »Endlich. Das Land braucht Regen. Und wir auch.« Dann blinzelte er. »Ist es das? Fürchtest du dich vor dem Gewitter?« Er lächelte. »Das mußt du nicht. Ein Gewitter ist nichts Böses, weißt du? Es kann dir nichts tun - wenn du ein paar einfache Vorsichtsmaßnahmen beherzigst.«
Ein zweiter Blitz und ein schon etwas rascher nachfolgender und lauterer Donnerschlag schienen seine Worte auf der Stelle ad absurdum fuhren zu wollen. Tobias fuhr ganz leicht zusammen, sah fast erschrocken zum Horizont hin und schenkte ihr dann ein zweites, noch aufmunternderes Lächeln.
»Das ist wirklich nichts, wovor du Angst zu haben brauchst«, sagte er noch einmal. »Und jetzt solltest du dich wieder beruhigen … möchtest du einen heißen Kräutertee?«
Nein, den wollte sie ganz bestimmt nicht. Tobias’ Tee hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem, den ihre Mutter ihr ein paarmal gegeben hatte, wirkte nur viel stärker. Wenn sie einen einzigen Becher davon trank, würde sie vermutlich bis morgen früh durchschlafen.
Tobias schien das für eine ausgezeichnete Idee zu halten, denn er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern nickte heftig und sagte: »Das ist genau das Richtige. Warte, ich gehe nur rasch und hole heißes Wasser.« Er entfernte sich, und Robin wußte, daß er so bald nicht wiederkommen würde. Es gab in diesem Turm keinen Kamin und somit auch keine Feuerstelle. Der einzige Herd befand sich in der Küche, in der für beinahe fünfzig Personen gekocht wurde und die fast das gesamte Erdgeschoß des großen Wirtschaftsgebäudes auf der anderen Seite des Hofes einnahm. Er würde eine Viertelstunde brauchen, um zurückzukommen. Unten auf dem Hof schwangen sich Abbé und die anderen in die Sättel, und Robin beugte sich weiter vor, um mehr sehen zu können. Wieder rollte dumpfer Donner über das Land, und ein erster, beinahe warmer Wassertropfen berührte ihr Gesicht. Wind kam auf. Das Gewitter näherte sich sehr schnell, und Robin war sich jetzt sicher, daß es ein wirklich schweres Unwetter werden würde.
Als Abbé den Arm hob, um seinen Begleitern das Zeichen zum Aufbruch zu geben, stürmte Salim tief unter ihr aus dem Turm und rannte mit wehendem Mantel und heftig wedelnden Armen auf die Tempelritter zu. Robin war überrascht, zu sehen, daß Abbé sein Pferd noch einmal zügelte und sich zu dem Tuareg hinunterbeugte, um mit ihm zu reden. Salim schien nicht begeistert zu sein von dem, was er hörte. Er deutete ein paarmal aufgeregt zum Turm hinauf und gestikulierte dabei immer heftiger, und auch Abbés Bewegungen drückten seinen Unmut immer deutlicher aus. Es war nicht zu übersehen, daß sie in einen heftigen Streit geraten waren - was Robin einigermaßen seltsam vorkam. Salim war nur ein einfacher Sklave, und Abbé und seine Begleiter in sichtlicher Eile. Wieso wies er ihn nicht einfach in seine Schranken oder ließ ihn kurzerhand stehen?
Bruder Abbé tat nichts dergleichen, sondern debattierte statt dessen noch eine geraume Weile weiter mit dem Tuareg, und schließlich war nicht er, sondern Salim es, der das Gespräch beendete und sich wieder herumdrehte - vielleicht aus keinem anderen Grund als dem, daß es mittlerweile stärker zu regnen begonnen hatte. Als die Reiter endlich ihre Pferde in Bewegung setzten und sich dem Tor näherten, stürzte das Wasser bereits vom Himmel, und es war spürbar kälter geworden. Am Horizont flackerten die Blitze in immer rascherer Folge, und die Donnerschläge krachten jetzt so kurz hintereinander, daß es fast wie ein einziges, ununterbrochen grollendes Rumpeln und Dröhnen klang.
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