Die Templerin
auf den Turm! Wir müssen mit einem Angriff rechnen!«
»Ein Angriff?« Salims Augenbrauen zogen sich zusammen. »Was soll das heißen? Abbé!«
»Es war eine verdammte Falle«, sagte Abbé düster.
»Sie haben euch von hier weggelockt«, bestätigte Salim, aber Abbé schüttelte zornig den Kopf.
»Wenn das alles wäre!« Er ballte die rechte Hand zur Faust, sah sich wild um, als suche er etwas, was er zerschmettern konnte, und ließ den Arm dann mit sichtlicher Anstrengung wieder sinken. Sein Blick flackerte, als er Robins Gesicht streifte. Er drehte sich ganz zu ihr herum, legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte mit leiser, mitfühlender Stimme: »Es… tut mir leid, Kind, aber ich fürchte, ich habe schlimme Nachrichten. Dein Dorf. Deine Leute. Sie … sind alle tot.«
»Tot?« keuchte Salim. »Was ist passiert?«
Robin starrte Abbé an. Sie hatte durchaus verstanden, was er sagte, aber es war, als ginge es sie gar nichts an. Sie wartete darauf, daß sie irgend etwas empfand - Schrecken, Kummer, Schmerz oder wenigstens Zorn - aber es war genau wie an jenem furchtbaren Abend vor einer Woche, als sie in die Flammen ihres brennenden Elternhauses gestarrt hatte. In ihr war nichts als jene schreckliche, saugende Leere.
»Helge kam gestern abend«, begann Abbé. »Er erzählte, daß einer der Bauern einen großen Trupp Bewaffneter gesehen hätte. Wir stießen auf ihre Spuren und folgten ihnen. Sie führten geradewegs zu Robins Dorf. Aber wir sind zu spät gekommen. Es ist niedergebrannt. Alle, die darin gelebt haben, wurden erschlagen. Sie sind… alle tot.«
»Tot? Wer hat das getan?«
Abbé schnaubte. »Wir«, antwortete er. »Zumindest wird jedermann das glauben.« Er drehte sich herum, ging zu seinem Pferd und nahm ein Stück blutgetränkten Stoff aus der Satteltasche. Es kostete Robin einige Mühe zu erkennen, daß es nicht nur ein beliebiger Fetzen war, sondern vielmehr ein Stück aus einem weißen Überwurf, auf den ein rotes Kreuz mit gespaltenen Enden gestickt war.
»Das lag irgendwo zwischen den Ruinen«, sagte er. »Und noch mehr davon. Ein zerbrochener Dolch mit unserem Siegel, ein blutiger Handschuh, wie wir sie tragen…« Er warf den Fetzen zu Boden und stampfte ihn mit dem Absatz in den Morast. »Jemand hat sich große Mühe gegeben, Beweise zu hinterlassen, wer für diese Greueltat verantwortlich ist.«
»Aber das ist doch … Unsinn«, murmelte Salim stockend. »Ich meine: Es… es ist doch ein Leichtes, nachzuweisen, daß diese Dinge nicht aus Eurem Besitz stammen.«
»Es kommt noch schlimmer«, sagte Abbé düster. »Wir haben das Dorf gründlich durchsucht, in der Hoffnung, vielleicht doch noch einen Überlebenden zu finden. Wir hatten keinen Erfolg, aber gerade, als wir aufsitzen und wieder zurückreiten wollten, tauchten Gunthar von Elmstatt und sein Sohn auf - zusammen mit ungefähr zwanzig Bewaffneten. Sie haben uns sofort angegriffen, ohne auch nur eine einzige Frage zu stellen. Wir konnten ihnen entkommen, aber Ferdinand wurde von einem Speer getroffen, und außer mir sind fast alle anderen verletzt.«
»Haben sie euch verfolgt?« fragte Salim.
»Nur ein kleines Stück«, antwortete Abbé. »Wir konnten drei von ihnen erschlagen, was ihnen die Lust auf eine Fortsetzung des Kampfes ein wenig vergällt haben dürfte. Sie sind in Richtung Burg davongeritten.« Er hob die Schultern. »Sie dürften jetzt schon dort sein. Gunthar wird eine Stunde brauchen, um alle seine Männer zusammenzurufen und zu bewaffnen, und dann drei oder vier Stunden, bis sie hier sind.«
»Ihr fürchtet, daß er uns angreift?«
»Ich an seiner Stelle würde es tun«, antwortete Abbé traurig. »Für ihn sind die Beweise eindeutig. Er glaubt, daß wir seinen jüngsten Sohn erschlagen haben, und nun auch noch die Einwohner eines ganzes Dorfes, nur um unsere Spuren zu verwischen. Er muß auf diese Herausforderung reagieren, wenn er nicht vor der ganzen Welt das Gesicht verlieren will. Er wird uns angreifen, kurz nach der Mittagsstunde, wenn nicht früher.«
KAPITEL 18
Obwohl Bruder Abbé persönlich Robin befohlen hatte, sich in ihre Kammer im obersten Stockwerk des Turms zurückzuziehen und zu schlafen, ließ er sie kaum zwei Stunden später wieder zu sich rufen.
Robin hatte nicht geschlafen; natürlich nicht. Der Knecht, der sie aus ihrer Turmkammer holte, führte sie in dasselbe Gemach, in dem Salim und sie einen Teil der vergangenen Nacht verbracht hatten, nicht in Abbés karge Zelle eine Etage
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