Die Templerin
nun den Schleier vor das Gesicht gelegt, so daß beinahe nur noch seine Augen sichtbar waren. Und er war bewaffnet. Er trug einen matt-schwarzen runden Schild am linken Arm, und in seinem Gürtel steckte ein armlanges Schwert, dessen Klinge auf sonderbare Weise gebogen war. Aus dem Sklaven war endgültig ein Krieger geworden.
Salim unterbrach seine Arbeit, als er sie sah, und kam ihr mit weit ausgreifenden Schritten entgegen. »Du bist bereit?« fragte er. »Dein Pferd ist aufgezäumt. Karl wird dich begleiten. Du kannst ihm vertrauen. Er ist ein tapferer Mann.«
Robin schüttelte den Kopf.
»Du traust ihm nicht?«
Robin wiederholte ihr Kopfschütteln, machte eine weit ausholende Geste und sagte leise: »Ich bleibe.«
»Ich hatte befürchtet, daß du das sagst«, seufzte Salim, versuchte aber - fast zu ihrer Überraschung - nicht, ihr diese Idee auszureden; obwohl sie ihm ansah, daß er wenig begeistert davon war. Statt dessen drehte er sich auf dem Absatz herum und gab einem Mann, der draußen vor dem Tor gewartet hatte, einen Wink. Der Mann schwang sich ohne ein weiteres Zögern auf sein Pferd und galoppierte davon. Robin blickte fragend. »Bruder Abbé würde nicht auf einen Mann verzichten, der ein Schwert zu führen vermag, nur um dich in Sicherheit zu bringen«, sagte Salim. »Karl reitet vor allem los, um Hilfe zu holen. Ohne dich wird er schneller ankommen. Und auch schneller zurück sein.« Er deutete auf den Hof. »Du solltest jetzt besser gehen. Wir haben viel zu tun, und jeder Moment zählt.«
»Helfen«, krächzte Robin.
»Helfen?« Salim lachte. »Du kannst hier nichts helfen, fürchte ich … aber meinetwegen bleib hier. Ich würde es auch nicht ertragen, tatenlos in meinem Zimmer zu sitzen und darauf zu warten, daß der Kampf beginnt. Aber bitte stör uns nicht. Unsere Zeit ist wirklich knapp.«
Robin gab sich redliche Mühe, aber natürlich stand sie doch ständig im Weg und mußte unablässig beiseite treten, sich entschuldigen, bis es ihr zu bunt wurde und sie einfach mit zupackte. Salim beobachtete sie stirnrunzelnd und mit einiger Mißbilligung, sagte aber nichts mehr. Robin ihrerseits beobachtete Salim nicht ganz so offen, dafür aber um so aufmerksamer. Was ihr schon mehrmals aufgefallen war, bestätigte sich. Salim eilte hierhin und dorthin, gab Anweisungen und erteilte Befehle, griff aber kein einziges Mal selbst zu. Ein Sklave?
Die Männer schlossen das Tor, was mit erheblicher Mühe und Anstrengungen verbunden war, denn sie stellten sich nicht besonders geschickt dabei an, was darauf schließen ließ, daß die beiden gewaltigen Torflügel nicht sehr oft geschlossen wurden. Anschließend legten die Männer einen gewaltigen Riegel vor, der mehrere Zentner wiegen mußte. Dieses Tor, dessen war sie sich sicher, würde selbst dem Ansturm einer Armee trotzen.
Salim zeigte sich jedoch wenig begeistert, als er zurückkam. »Das ist vergebene Mühe«, unkte er. »Was nutzt ein starkes Tor, wenn die Mauern schwach sind? Wir werden uns nicht halten können. Das hier ist ein Bauernhof, bei Allah, keine Burg! Ich sage Abbé seit Jahren, daß wir die Befestigungen verstärken müssen, aber nun ist es zu spät.«
»Vielleicht können wir… reden«, sagte Robin schleppend.
»Reden? Mit wem?«
»Gunthar«, antwortete Robin. »Ich kenne… die Wahrheit.«
»Er wird dir nicht zuhören«, sagte Salim. Robin teilte diese Auffassung nicht ganz. Sie hatte Gunthar von Elmstatt nur ein einziges Mal gesehen, aber sie hatte trotzdem den Eindruck gewonnen, daß er im Grunde ein sehr vernünftiger und besonnener Mann war, dem Gewalt nicht fremd war, der sie aber nicht liebte.
Trotzdem fuhr Salim fort: »Es gibt eine Zeit zum Reden, und es gibt eine Zeit zum Kämpfen. Ich fürchte, die Zeit des Redens ist vorbei.« Er seufzte. »Du hättest mit Karl gehen sollen. Nun ist es zu spät.«
Er legte die Hand auf das Schwert. »Keine Angst. Niemand wird dir etwas tun. Dafür werde ich sorgen.«
Sie hatte keine Angst - wieso nahm eigentlich jeder an, daß das so war? Nur weil sie eine Frau war? Der Gedanke an die bevorstehende Schlacht erschien ihr so weit weg, daß er sie gar nicht berührte. Es war… abstrakt. Ein Wort, das für sie praktisch keine Bedeutung hatte. Sie war ein einfacher Mensch, geboren und aufgewachsen in einer einfachen Welt, die vom Wechsel der Jahreszeiten und der täglichen Sorge um eine warme Mahlzeit und genügend Feuerholz bestimmt wurde. Kriege, Schlachten und Intrigen, Politik…
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