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Die Templerverschwoerung

Die Templerverschwoerung

Titel: Die Templerverschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Easterman
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verabredet. Aber er ist nicht gekommen und hat auch nicht angerufen. Sie haben ihn seit Tagen nicht gesehen.«
    »Wo kann er nur sein?«
    Mariyam legte ihre Hand auf Conors Arm.
    »Und wenn er nun krank ist? Er lebt allein. Er kann doch krank geworden sein. Wir sollten die Polizei verständigen.«
    Conor schüttelte den Kopf. Wenn sie die Polizei riefen und dabei kam heraus, dass er ein britischer Polizist war, gab es endlose Komplikationen. Er wollte nicht, dass die französischen Behörden auf seinen Besuch aufmerksam wurden.
    »Vielleicht funktioniert die Klingel nicht«, sagte er. Er hob die Hand und klopfte hart an die Tür. Dabei spürte er, dass diese sich bewegte. Als er kräftig dagegen drückte, gab sie nach. Das gefiel ihm gar nicht, und noch viel weniger der Geruch, der ihnen von drinnen entgegenschlug.
    »Mariyam«, sagte er, »ich gehe allein hinein. Sie warten besser hier.«
    »Besser?« Ihre Nasenflügel bebten. »Wieso besser? Ich weiß, was so riecht. Ich war zehn Jahre alt, als das Derg gestürztwurde. Das war 1987. Als Kind habe ich Dinge gesehen, die Sie bestimmt nicht sehen möchten. Leichen machen mir gar nichts aus. Manchmal sind wir auf der Straße über sie hinweggestiegen. Einmal bin ich zu meinen Cousinen spielen gegangen. Als ich ins Haus trat, stieß ich auf Tante und Onkel in ihrem Wohnzimmer. Ihr Gehirn war auf dem Fußboden verspritzt. Meine Cousinen Ezra und Ayana befanden sich im Raum nebenan. Ayana war nackt. Erst Jahre später hat meine Mutter mir gesagt, sie sei vergewaltigt worden. Was immer hier passiert ist, ich werde damit fertig.«
    Sie betraten gemeinsam die Wohnung. Im Flur wurde der Gestank stärker. Mariyam hatte keine Hoffnung mehr, aber sie konnte nicht einfach wortlos in die Wohnung ihres alten Freundes eindringen.
    »Jean-Luc? Jean-Luc?«, rief sie. »Ich bin’s, Mariyam. Ich habe einen Freund mitgebracht.«
    Sie führte Conor ins Wohn- und dann ins Esszimmer.
    Von dem Professor keine Spur. Aber hier und da sahen sie klare Anzeichen dafür, dass jemand die Räume durchsucht hatte. Ein großes äthiopisches Prozessionskreuz, eine feine Arbeit aus Messing, das an einem langen Leinenband an der Wand gehangen hatte, lag am Boden. Der Haken war aus der Wand gerissen. Aus einem kleinen Bücherschrank an der gegenüberliegenden Wand hatte jemand den ganzen Inhalt in heller Wut herausgefegt.
    Küche und Schlafzimmer waren leer, ebenso das Bad am Ende des Korridors.
    »Hier ist sein Arbeitszimmer«, sagte Mariyam und wies auf eine halb offenstehende Tür zu ihrer Linken. Conor trat zuerst ein. Der Raum war halbdunkel, denn jemand hatte die Vorhänge zugezogen. Er schaltete das Licht ein. Ein Schreibtisch und ein Stuhl, aber niemand zu sehen. Auch dieser Raumwar durchwühlt. Bücher und Papiere lagen auf dem Fußboden verstreut, die Schubladen eines Sekretärs hatte man herausgerissen und ausgekippt.
    Conor wies mit dem Kopf auf eine weitere Tür in einer Seitenwand, die ebenfalls halb offenstand. Von dort her roch es besonders stark.
    »Mariyam, ich denke …«
    »Wenn es Jean-Luc ist«, sagte sie, »dann muss ich ihn ohnehin identifizieren. Und ich halte Ihre Hand, wenn Sie erschrecken. Wenn Sie es genau wissen wollen, dort ist seine Bibliothek, wo er die Handschriftensammlung aufbewahrt. Sie ist ein Vermögen wert, aber er hat nie eine Alarmanlage einbauen oder die Fenster vergittern lassen. Er war altmodisch und naiv, er glaubte, in Montmartre könnte ihm nichts passieren. Das war sein Viertel. Er hat den Menschen vertraut. Und sie haben ihn geliebt. Er war der freundlichste Mann, den ich kannte.«
    Sie ließ ihm den Vortritt, folgte aber dichtauf. Drinnen war kaum etwas zu sehen, doch sie wusste, wo sie den Schalter finden konnte.
    Sofort wurde beiden klar, dass die Bibliothek im Mittelpunkt des Geschehens gestanden hatte. Es war ein großer Raum mit Regalen an allen vier Wänden. Sie waren sämtlich leer, Bücher und Handschriften häuften sich auf dem Fußboden. Mariyam war viele Male hier gewesen, aber dieser Anblick schien aus einem Alptraum zu kommen; dies war ein Ort, wo Dämonen gewütet und nach Jahren der Ordnung ein Chaos angerichtet hatten.
    Sie brauchten über eine Minute, bis sie Jean-Lucs Leichnam fanden, der unter Bergen seiner kostbarsten Schätze begraben war. Der Rumpf ohne Kopf lag unnatürlich verrenkt da, über einer Lache erstarrten Blutes. Dort, wo sein Halsgewesen war, summte ein Schwarm Fliegen. Mariyam wurde übel, und all ihr zur Schau

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