Die Templerverschwoerung
schwerbeladene Kamele oder ritten auf kleinen Eseln, die Staubwölkchen aufwirbelten. An den Kreuzungen stauten sich bereits die ersten Autos des Tages. Die Zeiten des äthiopischen Kaiserreichs waren lange dahin. Die riesigen Stelen, fünfundsiebzig an der Zahl, standen wie schmale Obeliske verloren auf einem einsamen Feld. Nur die Lade kündete noch vom Ruhm dieser Stadt.
Der Stadtführer zeigte auf die wichtigsten Sehenswürdigkeiten.
»Dort drüben ist das Grab von König Basen«, erklärte er. »Der hat in Axum regiert, als Jesus Christus geboren wurde. Weiter nördlich finden Sie die Gräber unserer beiden größten Kaiser …«
Er spulte seinen Text über die Geschichte von Axum ab, aber seine Begleiter interessierte das nicht besonders. Deshalb waren sie nicht hier heraufgestiegen. Sie wollten lediglich feststellen, in welchem Teil der Innenstadt sich die Kathedrale und die Kapelle mit der Bundeslade befanden. Ihretwegen hatten sie die weite Reise unternommen. Bis es Zeit war, hinunterzugehen, hörten sie sich die Geschichte über die Königin von Saba und die Nacht, die sie mit König Salomo verbracht hatte, höflich an, die Legende von dem Sohn Menelik, den sie neun Monate später geboren hatte und der als Zwanzigjährigervon Äthiopien nach Jerusalem reiste, dort die Bundeslade raubte und in seine Heimatstadt brachte. Die Amerikaner folgten den Worten nicht besonders aufmerksam. Sie kannten die Geschichte des Heiligtums, alle Geschichten von allen Laden, denn sie hatten sich jahrelang damit beschäftigt, wie es schon Generationen vor ihnen getan hatten. Sie konnten Hebräisch, Aramäisch und Ge’ez lesen, der Größere von ihnen gar ägyptische Hieroglyphen. Beide sprachen und lasen Amharisch, die Landessprache Äthiopiens. Der Führer begleitete sie zu den Stelen, zum Bad der Königin von Saba, wo er ihnen weitere Storys von einer fernen, geschönten Vergangenheit auftischte, die sie gleichmütig hinnahmen. Sie warteten auf etwas anderes.
Punkt neun Uhr begaben sie sich zur Kathedrale. Greg Oliver trug einen Brief bei sich, den der Sekretär des Patriarchen in bestem Amharisch auf steifes Papier geschrieben und den der Patriarch persönlich unterzeichnet hatte. Um dieses Schriftstück zu erhalten, hatten sie Versprechen abgegeben und mit Blut besiegelt.
Die moderne Marienkirche war überraschend schlicht und von Licht durchflutet. Das vom letzten Kaiser Haile Selassie errichtete Gebäude war rund und wurde von einer riesigen Kuppel gekrönt, durch deren Fenster das Licht hereinfiel. Das Kirchenschiff war weiß getüncht und mit Holzbänken bestückt.
Priester in verschiedenen Gewändern eilten umher und gingen ihren täglichen Pflichten nach. Ein hochgewachsener Mann in weißer Robe löste sich vom Altar und kam auf die Amerikaner zu. Er trug eine dunkle Brille, als müsse er sich in dem Gotteshaus gegen die Sonne schützen. Er lächelte nicht und gab ihnen auch nicht die Hand, sondern verbeugte sich nur leicht.
»Mein Name ist Abun Hailu Johannes. Ich bin der Bischof von Axum, diese Kathedrale und die anderen Kirchen ringsum gehören zu meinem Amtsbezirk.« Er sprach Amharisch. Man hatte ihm gesagt, die Amerikaner beherrschten die Sprache fließend.
Der Dunkelhaarige trat einen Schritt vor.
»Greg Oliver, zu Ihren Diensten. Ich bin erfreut, Sie bei einer so verheißungsvollen Gelegenheit kennenzulernen.«
Der Bischof schaute, als hätte er Oliver am liebsten ins Gesicht gespuckt. Offensichtlich empfand er diesen Besuch in keiner Weise als verheißungsvoll.
»Haben Sie den Brief?«, fragte er.
Oliver überreichte ihm das Gewünschte. Der Bischof öffnete den Umschlag und studierte den Text sorgfältig, als hoffte er, irgendwo einen Anlass zu finden, um die beiden Besucher wieder loszuwerden. Seine Haut war glatt, und seine Augen blickten klar, aber sein Alter war kaum zu bestimmen, als bewahre ihn der Himmel.
Seine Heiligkeit … Oberhaupt der Erzbischöfe und Patriarch der Äthiopischen Orthodoxen Kirche, Abuna Amanuel, wendet sich hiermit an seinen Bruder in Christo Johannes, grüßt ihn im Namen Unseres Herrn und bittet ihn im Namen der Heiligen Äthiopischen Orthodoxen Kirche, den Überbringern dieses Briefes Beachtung und Aufmerksamkeit zu schenken und ihnen zu gewähren, worum sie bitten. Dies gilt auch für die heilige Lade. Wenn sie es wünschen, sollen sie Zugang zur Schatzkammer der Heiligen Maria von Zion erhalten, wo die Lade aufbewahrt wird. Dies soll selbst gegen den Wunsch des
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