Die Templerverschwoerung
dieser Art schoben sie den Augenblick hinaus, da sie handeln mussten. In der Nähe würden sie nichts Essbares finden, und beide hatten vor weit mehr als vierundzwanzig Stunden das letzte Mal etwas zu sich genommen.
»Ich glaube nicht, dass wir hier je wieder herausfinden«, ließ sich nun Mariyam hören, »aber wir können nicht einfach sitzen bleiben und warten, bis es heiß wird. Ich schlage vor, wir gehen in westlicher Richtung. Um welche der Wüsten es sich auch handeln mag, in Richtung Westen könnten wir an ihr Ende kommen.«
Sie machten sich auf und schritten aus, als hätten sie nie etwas anderes getan. Jedes Gefühl für Zeit und Entfernung ging ihnen verloren. Sie hatten weder zum Frühstück noch zum Mittag etwas zu essen. Conor wurde bewusst, wie sehr er seine vielen Tassen Kaffee oder Tee am Tag und die kleinen Plätzchen brauchte, mit denen sie serviert wurden. Als die Sonne immer heißer brannte und seinen Körper ausdörrte, träumte er von etwas zu trinken. Nach wie vor plagten ihn Kopfschmerzen, und die glühende Hitze verschlimmerte sie. Mariyam hielt seine Hand. Anfangs redeten sie miteinander über so bedeutungslose Dinge wie Kino und Fernsehshows, um sich bei Laune zu halten. Aber als die Sonne dem Zenit entgegenstrebte und als roter Ball über ihren Köpfen hing, schwand ihnen die Kraft zum Reden. Im Mund war kein TropfenSpeichel mehr, und die Kehle fühlte sich an wie Sandpapier. Immer öfter legten sie Pausen ein, erschöpft und von Schmerzen gequält. Sie gingen durch eine Gegend, in der es nur Sand und Lavagestein zu geben schien.
Kurz nach Mittag sanken beide zu Boden. Sie befanden sich in einem breiten Streifen von Sand und bizarren Felsen. Die Steine waren zu heiß, um sich darauf ausruhen zu können, aber so erschöpft wie sie waren, kümmerte sie das kaum. Bei dem gleißenden Licht mussten sie die Augen gesenkt halten. Weit und breit gab es keinerlei Schatten, nicht einmal von einem Dornbusch.
Eine Stunde verging, vielleicht zwei. Mariyam schaute nach Norden. Ihre Augen waren trocken und entzündet, sie konnte sehr schlecht sehen. Da fiel ihr etwas auf, das sich bewegte. Sie klappte mehrmals mit den Augenlidern. Nun erhob sie sich auf die Knie, räumte ein paar Steine aus dem Weg und schaute noch einmal.
»Conor«, sagte sie, »ich sehe Rauch.«
Seine Lippen waren ganz trocken und aufgesprungen, aber er sprach, wenn auch mit Mühe.
»Rauch? Meinst du, … da könnte … ein Dorf oder etwas Ähnliches sein?«
»Nein«, antwortete sie und verfluchte sich, dass sie eine Hoffnung enttäuschen musste, die sie selbst geweckt hatte. »Das glaube ich nicht.«
»Was soll es denn dann sein?«
»Ich denke, es ist Erta Ale. Offenbar sind wir in der Wüste Danakil. Das dort drüben könnte Erta Ale, einer der Vulkane dieser Wüste, sein. Seine Umgebung gilt als der heißeste Fleck dieser Erde. Noch heißer als hier.«
»Ein Vulkan? Kann er ausbrechen?«
»Das hat er seit den sechziger Jahren öfter getan. Er hat einenriesigen Lavasee im Krater, der ab und zu überschwappt. Die Afar nennen ihn das Tor zur Hölle. Aber ich glaube nicht, dass wir in Gefahr sind. Bevor er ausbricht, wird uns die Sonne längst erledigt haben. Vielleicht schaffen wir es noch bis zur nächsten Nacht, doch die Morgendämmerung erleben wir nicht mehr.«
»Das glaube ich auch. Zumindest wissen wir jetzt, wo wir sind.«
»Wir werden hier lange Zeit bleiben. Vielleicht kommt irgendwann eine Expedition vorbei und findet unsere Gerippe.«
»Ja, das wäre schön. Was ist mit diesen Afar?«
»Die Afar? Sie leben in Teilen der Wüste. Sie sammeln Salzblöcke an den Salzseen Afdera und Assale.«
»Hier in der Nähe?«, fragte er.
»Das weiß ich nicht. Vielleicht nicht so weit entfernt. Aber ich glaube nicht, dass hier eine ihrer Karawanenstraßen vorüberführt. Das Salz verkaufen sie in Berahile. Sie transportieren es mit Kamelen, wie es ihre Vorfahren seit Jahrhunderten getan haben. Das habe ich in der Schule gelernt. Die Afar sind heute Muslime, aber noch vor kurzem galten sie als das grimmigste Volk der Welt.«
Er versuchte ein Lachen.
»Noch schlimmer als die Iren?«
»Keine Ahnung. Du bist der einzige Ire, den ich kenne. Von den Afar heißt es, sie töten jeden fremden Mann, dem sie begegnen. Dann schneiden sie ihm die Hoden ab und hängen sie sich um den Hals.«
»Wie nett.«
»Ich denke, wir sollten nicht so viel reden«, sagte sie dann. »Das kostet Kraft.«
»Na und? Was macht das jetzt noch aus?
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